Vertrieb von Software – Teil 5: Kartellrechtliche Aspekte

Ein Softwarehersteller kann seine Vertriebsstrukturen vertraglich grundsätzlich frei gestalten. Allerdings dürfen Hersteller und Vertragshändler keine Vereinbarungen treffen, die den Wettbewerb beschränken oder eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich nutzen.

Was darunter genau zu verstehen ist, regelt das Kartellrecht. Vorschriften zu Wettbewerbsbeschränkungen und Marktmissbrauch finden sich sowohl im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als auch im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Vertriebsverträge unterliegen der kartellrechtlichen Kontrolle nach Artikel 101 AEUV und den Vorschriften des GWB. Im GWB sind die Verbote von Machtmissbrauch bei marktbeherrschenden oder marktmächtigen Unternehmen der Hersteller sowie Behinderungs- und Diskriminierungsverbote gegenüber schwächeren Unternehmen geregelt.

Ausnahmen von Wettbewerbsbeschränkungen

Mit der 7. GWB-Novelle wurden 2004 deutsches und europäisches Kartellrecht weitgehend harmonisiert. Nach § 1 GWB sind wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen von Unternehmen grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme besteht dann, wenn sie unterhalb der Grenze des Tatbestandsmerkmals der Spürbarkeit bleiben. Dies ist dann der Fall, wenn der Anteil der beteiligten Unternehmen am relevanten Markt insgesamt 5–15 % beträgt.

Eine weitere Ausnahme von Wettbewerbsbeschränkungen gibt es, wenn deren positive wirtschaftliche Wirkung die negative Wirkung überwiegt. Unter welchen Voraussetzungen dies erfolgt, ist in den Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) der Europäischen Union festgelegt.

Durch eine GVO werden bestimmte Gruppen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zwischen Unternehmen ausgenommen. Die GVO konkretisiert dabei die Voraussetzungen, unter denen eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder Verhaltensweise vom Kartellverbot ausgenommen ist.

Relevante GVO für den Software-Vertrieb

Beim Vertrieb von Software spielen Vertriebsvereinbarungen (Vertikal-GVO/GVO-VV) und die Gruppenfreistellung für den Technologietransfer (Technologietransfer-GVO/GVO-TT) eine Rolle. Die Vertikal-GVO erfasst Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die auf unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen tätig sind und die Bedingungen zum Bezug, Kauf und Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen enthalten. Bei der Technologietransfer-GVO muss sich die Lizenz auf die Produktion der Vertragsprodukte beziehen.

Auf die Übertragung von geistigen Eigentumsrechten wird die Vertikal-GVO nur angewendet, wenn
• diese nicht Hauptgegenstand der Vereinbarung sind und
• nur sofern sie sich unmittelbar auf die Nutzungen, den Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen beziehen.

Bei den einzelnen Klauseln in Vertriebsverträgen ist zu prüfen, ob sie direkt unter eine der Software-Gruppenfreistellungsverordnungen fallen oder ob sie über Artikel 81 Abs. 3 der GVO freigestellt werden können. Unabhängig davon empfiehlt es sich, die Beschränkungen der Verordnungen bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.

Umsatz bestimmt Rechtsrahmen

Ob das europäische Kartellrecht angewendet wird, ist abhängig vom Umsatz, den die Vertragspartner machen. Als spürbar gilt die Wettbewerbsbeschränkung, wenn die Vertragspartner die festgelegten Umsatzgrenzen überschreiten. Dann müssen sie sich am EU-Rechtsrahmen messen lassen.

Wir beraten Hersteller und Vertriebspartner von Softwareprodukten bei der Gestaltung von Verträgen und helfen ihnen dabei, die relevanten kartellrechtlichen Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.

Die weiteren Teile dieser Serie:

Teil 1: Überblick der Vertriebsmodelle
Teil 2: https://www.web-partner.de/de/journal/softwarevertrieb-teil-2
Teil 3: https://www.web-partner.de/de/journal/vertrieb-von-software-teil-3
Teil 4: Datenbanken und Datenbankwerke

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law),
Fachanwältin für IT-Recht
witzel@web-partner.de