Software-Vertriebsverträge – Teil 1: Überblick der Vertriebsmodelle

Ein Hersteller von Software hat für den Vertrieb seiner Produkte vielfältige Möglichkeiten. Er kann seine Software entweder direkt selbst an seine Endkunden oder indirekt über Dritte vertreiben. Im ersten Teil unserer vierteiligen Reihe über den Vertrieb von Software geht es darum, einen Überblick der gängigen indirekten Vertriebswege zu geben und die Rechte und Pflichten aus diesen Konstellationen vorzustellen.

Beim Vertrieb über einen Dritten ist rechtlich zwischen dem gesetzlich geregelten Handelsvertreter-Modell und dem gesetzlich nicht geregelten Vertragshändler-Modell zu unterscheiden. Das sind die beiden in der Praxis am häufigsten vertretenen Vertriebsmodelle. Je nach Interessenlage wird sich der Hersteller entweder für das eher konservative und stärker kontrollierbare Handelsvertreterkonstrukt oder das flexiblere und ihm mehr Haftungsfreiheit gewährende Vertragshändlermodell entscheiden. Daneben sind Mischformen verbreitet.

Vertrieb über Handelsvertreter

Der klassische Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. HGB vertreibt die Software- oder Hardwareprodukte in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Der Handelsvertreter ist in Abgrenzung zum Arbeitnehmer ein selbständiger Gewerbetreibender. Er ist der Prototyp desjenigen Vertriebspartners, der sich auf die Markterschließung, die Marktbeobachtung und die Kundengewinnung konzentriert.

Das Unternehmensrisiko bleibt beim Hersteller: Der Vertrag über die Überlassung von Software- oder Hardwareprodukte oder die Erbringung von Dienstleistungen kommt direkt zwischen dem Hersteller und dem jeweiligen Endkunden zustande. Das Handelsvertretermodell bietet sich vor allem dann an, wenn der Hersteller Interesse an einer engen Kundenbindung hat und er dem Vertriebspartner nicht die Kontrolle der Endkundenbeziehung überlassen will.

Vertrieb über Vertragshändler

Beim Vertrieb der Software über einen Vertragshändler (auch als „Reseller“ oder „Distributor“ bezeichnet) tritt dieser gegenüber dem Endkunden in eigenem Namen und auf eigene Rechnung auf. Er schließt direkt mit dem Endkunden den Verträge über die Überlassung der Software ab. Der Vertragshändler ist Partner mit einer eigenständigen Vertriebsorganisation. Durch einen Vertrag mit dem Hersteller oder einem von diesem eingesetzten Zwischenhändler übernimmt er die Aufgabe, die Vertragsprodukte im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern. Er richtet die Funktionen und Risiken seiner Tätigkeit hieran aus und kann im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herausstellen.

Der Vertragshändler ist ein zwar verlängerter Arm des Herstellers, aber unabhängig. Mit dem Hersteller steht der Vertragshändler in einem auf die Verbreitung der Software gerichteten Dauerschuldverhältnis und erwirbt die für die Verbreitung erforderlichen Nutzungs- und Vertriebsrechte. Dies sind meist nicht-exklusive, zeitlich und räumlich auf ein bestimmtes Vertragsgebiet beschränkte Rechte, die er in einem festgelegten Umfang an den Endkunden weiterreichen kann.

Kommt ein Pflege- oder Supportvertrag direkt mit dem Hersteller zustande, hat der Vertrag zwischen Hersteller und Vertragshändler dann zusätzlich die Elemente eines Handelsvertreters, insbesondere bei standardisierten Vertragsbedingungen eine Herausforderung für die Vertragsgestaltung, die dem Transparenzgebot des § 307 BGB gerecht werden muss.

Vertragliche Konstellationen

Aus den Möglichkeiten des direkten und indirekten Vertriebs ergeben sich für einen Softwarehersteller eine Reihe von Konstellationen, die in der Praxis anzutreffen sind:

• Vertrieb über einen Direktvertrag zwischen dem Hersteller, der die Software entwickelt hat und dem Endkunden,
• Vertrieb über einen Direktvertrag zwischen dem Hersteller, der die Software entwickelt hat und dem Endkunden, wobei der Vertragsabschluss über einen Dritten als Handelsvertreter vermittelt wurde,
• Vertrieb über einen Vertrag zwischen Hersteller und einem selbständigen Dritten, der als Vertragshändler der fremdentwickelten Software berechtigt ist, diese im eigenen Namen dem Endkunden zu überlassen,
• Vertrieb über einen sogenannten OEM-Händler (Original Equipment Manufacturer): Als OEM-Händler wird dem Vertriebspartner zusätzlich die Pflicht auferlegt, die Software nur in Verbindung mit einer anderen Anwendung zu vertreiben,
• Vertrieb über einen selbständigen Dritten, der die Software zusammen mit eigener Software (und gegebenenfalls Hardware) zu einem System umarbeitet und dieses dann dem Endkunden überlässt (ähnlich dem VAR – Value-Added Reseller),
• Vertrieb über einen selbständigen Dritten, der die Software mit eigener Software und fremdbezogener Hardware zusammen in selbstentwickelte bzw. -hergestellte Maschinen einbaut und diese Maschinen z.B. als Fertigungsmaschine, dem Endkunden zusammen mit dem Softwareprodukt als sogenanntes Embedded System überlässt – siehe dazu auch unseren Beitrag zum Einsatz von Open Source Software in Embedded Systems.
• Gemeinsame Vertriebsstrategie von Hersteller und Vertriebspartner, aber getrennte Verträge mit dem gemeinsamen Endkunden (SHAP-Vertrag).

Im Rahmen des Vertragshändlermodells ist es üblich, dass der Vertragshändler für die Dauer des Vertrags das Recht erhält, seinen Endkunden ein – genauer bestimmtes – Nutzungsrecht auf Dauer gegen Einmalentgelt einzuräumen. Die Software wird dem Vertriebspartner entweder als verkaufsfertige Kopie oder als Masterkopie mit der Berechtigung zur Erstellung von Vervielfältigungsstücken überlassen. Vermehrt wird dem Vertragshändler auch das Recht eingeräumt mietrechtliche Lizenzmodelle (SaaS und ASP) anzubieten, was sich dann auch auf die Mängelrechte im Verhältnis Vertragshändler und Hersteller auswirkt.

Häufig ist vorgesehen, dass ein Pflege- und Supportvertrag direkt zwischen dem Endkunden und dem Hersteller geschlossen und vom Vertragshändler nur vermittelt wird. Manche Hersteller verpflichten den Vertriebspartner dazu, mit dem Endkunden bei Abschluss eines Softwareüberlassungsvertrages einen Pflegevertrag mit dem Hersteller abzuschließen. Wird der Abschluss eines Pflege- und Supportvertrags nur vom Vertriebspartner vermittelt, hat der Vertriebsvertrag auch Elemente eines Handelsvertretervertrags.

Rechte und Pflichten regeln

Aus den vertraglichen Konstellationen ergeben sich für Hersteller und Vertriebspartner ganz unterschiedliche Rechte und Pflichten. Deshalb sollten Hersteller und Vertriebspartner zu Beginn ihrer Zusammenarbeit klären, welche Konstellation dem Vertrieb ihrer Software am besten Rechnung trägt. Wir beraten Hersteller und Vertriebspartner von Softwareprodukten bei der Vertragsgestaltung und helfen ihnen dabei, die relevanten Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law), Fachanwältin für IT-Recht
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