Vertrieb von Software – Teil 2: Kostenpflichtige Apps

Immer mehr Software wird auf mobilen Endgeräten genutzt. Die auch als Apps bezeichneten Programme lassen sich einfach aus dem jeweiligen App Store einiger großer Anbieter laden und installieren. Nachdem ich im ersten Teil unserer Reihe einen Überblick über die Vertriebsmodelle gegeben habe, geht es in diesem zweiten Teil um die spezielle Form des Vertriebs über den App Store.

Die Besonderheit ist dabei, dass der Anbieter, der die Software vom Hersteller erwirbt bzw. die Verbreitungsrechte daran ausübt, nicht direkt mit dem Endkunden in Kontakt tritt, vielmehr dieser Kontakt über einen Provider wie etwa den App Store (Apple) oder Play Store (Google) erfolgt. Häufig ist für den Endkunden nicht klar, mit wem eigentlich er einen Vertrag schließt bzw. hat.

App Store: Vermittler oder Vertragshändler?

Beim Download über den App Store oder Play Store stellt sich die Frage, ob der Betreiber des Stores Vermittler oder Vertragshändler im vertriebsrechtlichen Sinne ist. Die Stores und deren Lieferanten lassen die Frage oft unbeantwortet bzw. verwenden nur allgemeine Bezeichnungen, die ihre Wurzeln im anglo-amerikanischen Raum haben.

Bei einem näheren Blick in die typischen Nutzungsbedingungen ist es zweifelhaft, ob überhaupt von einem Kauf der jeweiligen App gesprochen werden kann. Die AGB ergeben eventuell einen Mietvertrag, weil nicht von Überlassung die Rede ist, sondern von Nutzung, und dies insofern auch nicht endgültig, da keine Übertragbarkeit, weder gemäß AGB (wäre bei Kauf unwirksam) noch technisch gegeben ist, da eine Verbringung auf anderes Gerät eher nicht möglich ist.

Die AGB zur Nutzung sind nicht wirksam einbezogen, wenn sie erst nach Vertragsschluss zur Kenntnis genommen werden können. Sogar der Bezahlprozess ist häufig noch vorgeschaltet. Insofern ist daran zu denken, dass doch der Vertrag über den Provider des Stores mit dem Anbieter zustande kommt. Die Frage ist dann aber, welchen Inhalt und somit auch, welchen Vertragscharakter diese Nutzungsbedingungen haben.

Bei solchen Mängeln hinsichtlich Transparenz bis hin zur Frage, wer eigentlich Vertragspartner des Endkunden ist (wahrscheinlich der Play Store), was der Endkunde darf usw., entsprechen die Verträge mit den AGB nicht den Anforderungen an wirksame Informationen und Verträge bzw. Klauseln.

Marktbeherrschende Stellung

Schließlich sei auch auf die kartellrechtliche Problematik hingewiesen. Bei den von den Anbietern auferlegten Vereinbarungen kann man „die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Erzwingung unangemessener sonstiger Geschäftsbedingungen“ in Betracht ziehen.

Genau dies hat der Spielehersteller Epic Games getan. Der Anbieter des beliebten Computerspiels Fortnite hat gegen Apple geklagt, weil der Konzern aufgrund seiner Marktmacht eine Provision von 30 Prozent in seinem App Store durchsetzen kann. Apple muss nun eigentlich seine App-Store-Regeln ändern. Nach dem Urteil eines kalifornischen Gerichts muss der Konzern den Entwicklern nun erlauben, ihren Nutzern Alternativen zu Apples Bezahlmechanismus im App Store zu bieten. Wenn Nutzer auf den Webseiten der App-Anbieter selbst zahlen, können Apps günstiger angeboten werden und Hersteller mehr verdienen. Wie die Sache ausgeht ist offen, sowohl Apple als auch Epic haben Berufung eingelegt. Google reagierte ebenfalls auf wachsende Kritik an seiner Marktmacht und senkt die Abgabe für Abonnements, die über den Play Store abgeschlossen werden. Die Änderung soll zum 1. Januar 2022 in Kraft treten.

Defizit beim Datenschutz

Nicht zu unterschätzen ist das Defizit der Regelungen bei Apps im Hinblick auf den Datenschutz. Dies besteht generell schon in der Übernahme der beim Download anfallenden Daten auch durch den Anbieter (nicht nur den Provider des Stores). Darüber hinaus auch durch die Möglichkeit des Einblicks diverser Nicht-Vertragspartner über die App in das Gerät, etwa zu Terminkalendern, Adressverzeichnissen und Ähnlichem.

Richtig problematisch wird die Missachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften bei besonderen Arten von Daten, insbesondere bei Gesundheitsdaten. Der Mangel an Klarheit, mit wem eigentlich genau welche Art von Vertrag geschlossen wird, setzt sich bei der Unwirksamkeit datenschutzrechtlicher Einwilligung (u.a. mangels Transparenz) fort. Daher sollten die Besonderheiten des Gesundheitsdatenschutzes bereits von der Entwicklerseite her berücksichtigt werden, damit die erforderlichen Features und Parameter etwa für die Berechtigungszuweisungen vorhanden sind. Dazu müssten die Anbieter entsprechende Vorgaben aufstellen. Neben den technischen Maßnahmen für die Sicherheit ist zudem an das Einholen wirksamer Einwilligungen für die Datenerhebung und -verarbeitung zu denken.

Grenzüberschreitende Konstellationen

Apps betreffen oft grenzüberschreitende Vertragskonstellationen, da die Zielgruppe weitestgehend aus Verbrauchern unterschiedlicher Länder besteht. Damit stellt sich die Frage nach Gerichtsstand und Rechtswahl.

Mit Blick auf die Vertragsbeziehungen zwischen App-Entwickler, Anbieter und Nutzer im Geltungsbereich der Europäischen Union ist die Rom I-Verordnung anzuwenden. Es muss zunächst geprüft werden, ob Ausnahmeregelungen von der freien Wahl des anzuwendenden Rechts greifen. Der freien Rechtswahl entgegenstehende zwingende nationale Vorschriften sind bei App-Verträgen meistens nicht gegeben, da verbraucherschützende Vorschriften des Privatrechts nach überwiegender Auffassung nicht zu solchen Eingriffsnormen zu zählen sind.

Es darf allerdings nicht dazu kommen, dass der Verbraucherschutz durch die abweichende Rechts-wahl de facto vereitelt wird und der Verbraucher dadurch in seiner Rechtsposition beschnitten wird. Da die deutschen Verbraucherschutz-Vorschriften im internationalen Vergleich wohl zu den weitestgehenden gehören, führt dies vor dem Hintergrund des hier anzuwendenden Günstigkeitsprinzips in der Praxis wohl dazu, dass – sofern der App-Anbieter seine Tätigkeit auch auf den deutschen Markt ausgerichtet hat – die deutschen Verbraucherschutz-Vorschriften (etwa Widerrufsrechte, Regelungen zum Fernabsatz, Regelungen zum elektronischen Geschäftsverkehr), zu beachten sind.

Bei Sachverhalten mit Bezugspunkten außerhalb der EU gilt vor dem Hintergrund der Regelungen des Lugano-Übereinkommens (das betrifft das Verhältnis zwischen EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz, Norwegen und Island): die (deutschen) Verbraucherschutzvorschriften dürfen nicht umgangen werden.

Für in Deutschland niedergelassene Telemediendienste-Anbieter gilt übrigens auch dann direkt deutsches Recht, wenn die Telemedien in einem anderen EU-Mitgliedstaat geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden. Dies geht aus dem Telemediengesetz (TMG) hervor.

Rechten und Pflichten regeln

Gerade beim Vertrieb über App Stores ergeben sich für den Anbieter von Software sehr komplexe Fragen. Deshalb sollten Anbieter vor der Entscheidung für den Vertrieb über einen App Store klären, welche Konstellation dem Vertrieb ihrer Software am besten Rechnung trägt und welche Risiken sie zu tragen bereit sind. Wir beraten Anbieter und Vertriebspartner von Softwareprodukten bei der Vertragsgestaltung und helfen ihnen dabei, die relevanten Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law), Fachanwältin für IT-Recht
witzel@web-partner.de