Vertrieb von Software - Teil 4: Datenbanken und Datenbankwerke

Anwendungsfälle

Beim Vertrieb von Software können auch Datenbanken an Kunden überlassen werden – etwa als Standardanwendungen oder auch spezifisch für den Kunden entwickelte Versionen. In diesem vierten Teil der Serie beleuchte ich die Besonderheiten, die sich beim Vertrieb von Software in Verbindung Datenbanken oder Datenbankwerken ergeben. Während ein Datenbankwerk im Sinne von § 4 Abs. 2 UrhG als Schutzvoraussetzung eine persönliche geistige Schöpfung fordert, greift für die Datenbank der sui generis Schutz des § 87 a UrhG bei Vorliegen einer wesentlichen Investition.

Datenbank im Sinne des § 87 b UrhG ist eine Sammlung von Werken, Daten und anderen unabhängigen Elementen („Informationen“), die systematisch und methodisch angeordnet und einzelnen mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit, mithin die Schöpfungshöhe, kommt es beim „sui-generis-Recht“ der §§ 87 a ff UrhG gerade nicht an. Welcher Art die in der Datenbank enthaltenen Informationen sind, ist zunächst unerheblich. Entscheidend, dass die in einer Sammlung enthaltenen Informationen unabhängig voneinander bestehen. Die in einer Datenbank enthaltenen Informationen müssen systematisch und methodisch angeordnet sein und einzelnen zugänglich sein.

Demgegenüber ist ein Datenbankwerk im Sinne von § 4 Abs. 2 UrhG, das die Elemente einer Datenbank aufweist, aber darüber hinaus in seiner Anordnung, Struktur oder Auswahl individuellen Charakter aufweist und damit die erforderliche Schöpfungshöhe hat. Das Abgrenzungskriterium zwischen Datenbanken und Datenbankwerken besteht allein darin, dass die Auswahl der Elemente und die Anordnung der ausgewählten Elemente bei Datenbankwerken schöpferisch sein müssen.

Hersteller von Anwendungsprogrammen bieten ihren Kunden häufig nicht nur das eigentliche Computerprogramm mit den für einen bestimmten Anwendungsbereich erforderlichen Funktionen, sondern auch vorkonfigurierte oder vor-parametrisierte Muster-/Standardanwendungsfälle (häufig auch als „best practice – Use Cases“ bezeichnet), die dem Kunden, die Implementierung des Anwendungsprogramms erleichtern sollen. Solche Musteranwendungsfälle werden dem Kunden als „Referenz“ in so genannten „Referenzdatenbanken“ bereitgestellt und führen im Idealfall dazu, dass der Kunde seine bisherige Arbeitsweise an das neue Anwendungsprogramm anpasst und die standardisierten Anwendungsfälle zur Umsetzung seiner Geschäftsprozesse übernimmt. Je mehr Musteranwendungsfälle der Hersteller hat, desto eher wird zusätzlich zum Anwendungsprogramm eine Datenbank, im Einzelfall auch ein Datenbankwerk, vertrieben.

Beim (mittelbaren) Vertrieb stellen sich neben den typischen Fragen des Softwarevertriebs auch spezielle Fragen zu der Datenbank/dem Datenbankwerk als ergänzendem Bestandteil. Ist diese Datenbank/das Datenbankwerk ein integrierter Bestandteil des Anwendungsprogramms oder ein selbstständiges Werk? Das Anwendungsprogramm wird meist ohne die Datenbank/das Datenbankwerk nicht funktionieren. Umgekehrt können Musteranwendungsfälle abstrakt – d.h. ohne das Anwendungsprogramm – genutzt werden.

Urheberrecht bei Datenbanken und Datenbankwerken

Für Datenbankwerke kann wie für sonstige Werke im Sinne von § 2 Abs. 1 UrhG das ausschließliche Recht eingeräumt werden, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werks der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

Die vertragliche Ausgestaltung der Nutzungsrechte an Datenbanken richtet sich nach den Vorgaben des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Gemäß § 87b UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von wesentlichen Teilen einer Datenbank durch den Nutzer oder Endkunden unzulässig und dem Datenbank-Hersteller bzw. dem Vertragshändler vorbehalten.

Für Datenbanken wird das ausschließliche Recht zur Verbreitung der gesamten Datenbank oder eines wesentlichen Teils an dieser in § 87 b UrhG begründet. Verbreitung ist eine Form der „Weiterverwendung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. b Datenbankrichtlinie mittels öffentlicher Verfügbarmachung. Auch im Rahmen von § 87 b UrhG soll die Erschöpfung des Verbreitungsrechts eintreten, die die Existenz eines Vervielfältigungsstücks, also eines Vervielfältigungsexemplars in körperlicher Form, voraussetzt.

Das Verbreitungsrecht des § 87 b Abs. 1 UrhG ist allerdings anders als das Recht zur Verbreitung einer Datenbank eingeschränkt, als unwesentliche Teile der Datenbank zustimmungsunabhängig und unabhängig vom Eintritt der Erschöpfungswirkung verbreitet werden dürfen, vorausgesetzt dass die Verbreitung nicht wiederholt oder jedenfalls nicht systematisch erfolgt. Zustimmungsunabhängig ist jedoch auch:
• das wiederholte, aber nicht systematisch erfolgende Verbreiten von unwesentlichen Teilen der Datenbank;
• das wiederholte und systematische Verbreitung, vorausgesetzt, dass der normalen Auswertung der Datenbank nicht zuwider läuft oder berechtigte Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar beeinträchtigt.
In der Konsequenz heißt das, dass der Erwerber einer Datenbank auf einem Datenträger kopierte unwesentliche Bestandteile unter den genannten Voraussetzungen zustimmungsunabhängig weiterverbreiten darf. Ein Vertragshändler kann unwesentliche Teile demnach auch nach dem Überlassen an den Endkunden weiternutzen.

Grenzen des Verbreitungsrechts

Das Verbreitungsrecht des Herstellers endet dann, wenn mit dessen Zustimmung eine Vervielfältigung einer Datenbank in den Verkehr gebracht wird. Nach der UsedSoft-Rechtsprechung des EuGH zur Computerprogramm-Richtlinie Nr. 2009/24/EG erschöpft sich das Verbreitungsrecht bei online erworbener Software. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Rechtsprechung auch auf die Datenbank-Richtlinie erstrecken und der EuGH entscheiden wird, dass auch online übertragene Datenbanken nach der Erschöpfung weiterveräußert werden können. Von der Erschöpfungswirkung ist allerdings das Recht zur Vervielfältigung und Vermietung ausgenommen.

Kunden dürfen Datenbanken ändern

Für Datenbanken sieht § 87 UrhG kein (ausschließliches) Recht der Datenbankhersteller vor, entsprechende Bearbeitungs- und Umgestaltungsrechte Dritten einzuräumen: Berechtigte Nutzer dürfen Teile der Datenbank frei ändern und ergänzen. Dazu zählen auch die Kunden. Für das Einräumen und Auslegen von Nutzungsrechten ist im Zweifel die sogenannte Zweckübertragungslehre anwendbar. Wenn vertragliche Vereinbarungen fehlen, entscheidet allein der Vertragszweck über die Reichweite der Nutzungsrechte.

Für Datenbankwerke gestatten die §§ 23, 55 a UrhG das Bearbeiten und andere Umgestaltungen durch den Berechtigten, wenn und soweit dies für den Zugang zu den Elementen des Datenbankwerks und für dessen „übliche Benutzung“ erforderlich ist. Als zustimmungsbedürftiges Bearbeiten oder sonstiges Umgestalten kann sich das Ergänzen, Ändern oder Aktualisieren von Datensätzen darstellen.

Die Hersteller von Datenbankwerken haben vermutlich weniger ein Interesse daran, die Erweiterung und Aktualisierung zu verhindern als daran, dass diese Erweiterungen und Aktualisierungen an den Hersteller „zurückfließen“ und damit auch anderen Endkunden zur Verfügung stehen. Vertriebspartner und Endkunde des Herstellers brauchen daher kein Recht zur Bearbeitung, um Ergänzungen und Aktualisierungen durchzuführen. Nur für strukturelle Änderungen bedarf es einer gesonderten Rechtseinräumung.

Rechten und Pflichten regeln

Diese Besonderheiten des Software-Vertriebs in Verbindung mit Datenbanken machen deutlich, welche Fragestellungen Hersteller, Vertriebspartner und Endkunden beachten sollten. Deshalb sollten die Parteien klären, welche Vertragskonstellation ihrem Verwendungszweck am besten Rechnung trägt, welche Besonderheiten dabei relevant sind und welche Risiken sie zu tragen bereit sind. Wir beraten Anbieter und Vertriebspartner von Softwareprodukten bei der Vertragsgestaltung und helfen ihnen dabei, die relevanten Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.

Die weiteren Teile dieser Serie:

Teil 1: Überblick der Vertriebsmodelle
Teil 2: Kostenpflichtige Apps
Teil 3: Rechte und Pflichten in der Vertragsgestaltung

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law), Fachanwältin für IT-Recht
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