ChatGPT – Teil 10: Prozessuale Folgen

Fortschrittliche KI-Technologien im Bereich der generativen Modelle sind in der Lage, eine immense Anzahl von Erzeugnissen zu schaffen, die in ihrer Qualität menschengemachten Werken ähneln. Diese computergenerierten „Werke“ haben jedoch keinen menschlichen Urheber und sind daher nicht schutzfähig. Dieser Umstand hat auch Folgen für Gerichtsverfahren zu urheberrechtlichen Ansprüchen. Im zehnten Teil meiner Serie untersuche ich, welche Herausforderungen sich für Urheberrechte und Leistungsschutzrechte ergeben werden und werfe einen Blick auf die Sekundäransprüche, die aus der Nutzung der KI vor allem außerhalb des Trainingsprozesses entstehen können.

Urheberschaft und Werkeigenschaft nachweisen

In der Vergangenheit musste man sich bei der Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche höchstens die Frage stellen, ob der Anspruchsteller nachweisen kann, der Urheber des betreffenden Werks zu sein. Ob ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes vorliegt, das die Schöpfungshöhe erreicht, wurde allein anhand äußerlich wahrnehmbarer Merkmale und objektiver Kriterien beurteilt. Es handelte sich allein um eine normative Frage.

Durch die zunehmende Verbreitung nicht geschützter werkähnlicher Erzeugnisse ändert sich diese rechtliche Situation grundlegend. Bisher konnte der Anspruchsgegner lediglich die Urheberschaft an einem Werk, d.h. die Identität des Urhebers bestreiten. Es war dann Aufgabe des Gerichts, über das Vorliegen eines Werks zu entscheiden. Nun aber kann in tatsächlicher Hinsicht auch die Werksqualität des Erzeugnisses bestritten werden. Das bedeutet, dass künftig ggf. nicht nur die rechtliche, sondern auch die tatsächliche Seite eines Werks geprüft werden muss.

Wenn die Urheberschaft bestritten wird, muss der Urheber als Kläger seine Urheberschaft nachweisen. Das kann bei digitalen Werken zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen, insbesondere wenn der Werkscharakter angezweifelt wird. Es könnte notwendig sein, den Entstehungsprozess des Werks detailliert darzulegen, was in digitalen Fällen sehr komplex sein kann und wesentlich von einer ausreichenden Dokumentation abhängen wird. Allein der pauschale Verweis auf ein vermeintlich künstlich generiertes Werk reicht aber sicherlich nicht aus, um das Bestehen eines Werkes in tatsächlicher Hinsicht substantiiert zu bestreiten. Umgekehrt darf aber auch nicht der Fall außer Acht gelassen werden, dass ein Kläger zu Unrecht die Urheberschaft eines autonom durch eine KI generierten Werks beansprucht. Insofern müssen auch gewisse Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast an das Vorliegen eines Werks bestehen. Wahrscheinlich wird es der Rechtsprechung überlassen bleiben, einen interessengerechten Ausgleich zu schaffen.

Sekundäransprüche beachten

Nicht nur das Training generativer KI kann urheberrechtlich problematisch sein. Auch Nutzungen durch generative KI außerhalb des Trainingsprozesses können zu rechtlichen Problemen führen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein geschütztes Werk vervielfältigt wird, insbesondere wenn  rein zufällig ein mit einem vorbestehenden Werk identisches Erzeugnis erstellt oder eine geschützte Fabel oder Figur nachgezeichnet wird.

In solchen Fällen wird keine gesetzliche oder vertragliche Lizenz vorliegen und es kann zu Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen kommen. Es ist jedoch unklar, gegen wen diese Ansprüche gerichtet werden sollen – den Entwickler, Anbieter oder Nutzer der KI. Auch ist nicht klar, wer schuldhaft gehandelt hat, wenn eine Rechtsverletzung aufgrund zufälliger Generierung eines Werks auftritt oder wessen Handlung für die konkrete Rechtsverletzung adäquat kausal war.

Kerngleiche Rechtsverletzungen

Da im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs auch sogenannte kerngleiche Rechtsverletzungen erfasst werden, besteht für Entwickler, Anbieter und den Verwender der KI bei jeder Nutzung ein zwar unwahrscheinliches, aber immanentes Restrisiko einer Rechtsverletzung. Immerhin kann nicht der Fall eintreten, dass die KI selbst infolge der Einbindung eines rechtwidrigen Vervielfältigungsstücks rechtswidrig ist. Denn Werke werden in einer regelmäßig aus einem neuronalen Netz bestehenden generativen KI eben nicht als Vervielfältigung abgelegt, so dass die Auswertung von Werken im Rahmen des Trainings nur zur Erstellung der jeweiligen Gewichtungsinformationen führt.

Zusätzlich ist aber zu beachten, dass eine effektive Verhinderung künftiger Schäden im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs oft nur durch Löschung bestimmter Informationen erreicht werden kann. Es ist jedoch schwierig zu bestimmen, welche Informationen gelöscht werden müssen, um eine Rechtsverletzung zu stoppen. Hier stellt sich die Frage, ob effektive Filter in die Anwendungen integriert werden können, damit nicht Gewichtungsinformationen gelöscht werden müssen.

Insgesamt führt die Verwendung generativer KI zu komplexen rechtlichen Fragen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Es wird mehr denn je auf die Rechtsprechung ankommen, angemessene Lösungen zu finden.

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Bisher erschienen:

Dr. Daniel Kögel,
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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