ChatGPT – Teil 8: Welchen Anteil haben Mensch und Maschine an der Gestaltungsleistung?

Beruht das Ergebnis einer generativen KI auf einem autonomen Kreationsprozess oder kann der Mensch gestalterischen Einfluss geltend machen? Nachdem ich im siebten Teil meiner Artikelserie zum Ergebnis gekommen bin, dass Ergebnisse einer autonom agierenden KI gemeinfrei sind und keinem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, möchte ich in diesem achten Teil der Serie noch einmal die Grenze zwischen maschinellem Erzeugnis und menschlichem Werk genauer beleuchten.

Ausprägungen computergenerierter Erzeugnisse

Unter computergenerierten „Werken“ oder Erzeugnissen lassen sich sämtliche Ausdrucksformen gestalterischer Tätigkeit zusammenfassen, die mithilfe von Computerprogrammen erstellt worden sind. Aufgrund der fortgeschrittenen Möglichkeiten der Werkerstellung lässt sich aus objektiver Sicht nicht unbedingt identifizieren, ob und in welchem Maße eine Gestaltungsleistung ganz oder teilweise menschlichen oder künstlichen Ursprungs ist.

Dabei kommt es für die Frage der Schutzfähigkeit der konkreten Erscheinungsform nicht in erster Linie auf das Erzeugnis, sondern auf den Schöpfungsvorgang an. Das Werk stellt letztlich nur dessen konkretes Ergebnis dar. Bei Erstellung eines „Werks“ mithilfe einer Software bzw. KI wird im Rahmen des Gestaltungsprozesses ein Computerprogramm als Hilfsmittel benutzt.  Computerprogramme selbst sind zwar bei Erreichen entsprechender Gestaltungshöhe nach dem Urheberrechtsgesetz schutzfähig, dieser Schutz erstreckt sich allerdings nur auf den Programmcode und nicht auch auf die mit einem Computerprogramm geschaffenen Erzeugnisse. Ob diese schutzfähig sind bemisst sich daran, ob das jeweilige Erzeugnis noch auf einer hinreichenden menschlichen Gestaltungsleistung beruht. Im Hinblick auf die Werkerstellung mittels Software kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht.

 

Auf wessen Anweisung handelt das Programm?

Bereits seit etlichen Jahren existieren reine Ausführungsprogramme, die zur Erstellung von Werken genutzt werden können. Im musikalischen Bereich werden solche Programme für die Erstellung rhythmischer Tonspuren oder die Komposition ganzer Lieder genutzt. Ebenso etabliert ist die Anfertigung von grafischen Elementen oder von Filmwerken mithilfe entsprechender Softwareanwendungen.

In den letzten Jahren trat die Möglichkeit der Generierung von Werken mittels KI hinzu. Eine tragende Rolle beim Generieren von Werken spiele dabei die Anwendungen maschinellen Lernens insbesondere in Gestalt von künstlichen neuronalen Netzwerken (KNN). Hierbei bestehen Formen überwachten, unüberwachten und bestärkenden Lernens (supervised, unsupervised bzw. reinforcement learning). Zu letzterem zählen GAN (Generative Adversarial Network)-Anwendungen, die auch bei den generativen KI-Modellen wie ChatGPT oder Stable Diffusion verwendet werden.

Ob in dem konkreten Erzeugnis eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG zu sehen ist, wenn es unter Verwendung eines Computerprogramms erstellt worden ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, ob das konkrete Gebilde autonom durch eine KI generiert worden ist oder eine Software nur als Hilfsmittel verwendet wird, die wesentlichen gestalterischen Entscheidungen aber durch einen Menschen getroffen wurden. Die Abgrenzung kann durchaus Schwierigkeiten bereiten und die Grenzen sind fließend.

 

Worin besteht die menschliche Leistung?

Die Schwierigkeit liegt auch darin zu bestimmen, was „Intelligenz“ und „Kreativität“ als intellektuelle menschliche Leistung eigentlich sind. Letztlich wird mit der Erschaffung einer KI beabsichtigt, in zunehmendem Maße das durch Algorithmen determinierte Problemlösungskonzept hin zu einer an konstruktiven, situativ-adäquaten Ergebnissen gemessenen Simulation menschlicher Verstandesleistungen zu entwickeln.

Zwar sind die Möglichkeiten kreativen Schaffens mithilfe einer KI vielfältig. Allerdings können die aktuellen Formen von „schwacher KI“ die intellektuelle Tätigkeit eines Menschen nur in Teilbereichen substituieren. Sie sind stets auf spezifische Anwendungsfälle beschränkt und schließen insbesondere Emotionen, Wertvorstellungen und hierauf basierende Handlungsimpulse nicht mit ein.

 

Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Werken

Aus Sicht des Urheberrechts müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein, um die Schutzfähigkeit eines Erzeugnisses annehmen zu können. Ein Werk im Sinne des Urheberrechts ist demnach

  • jede persönliche Schöpfung,

  • die einen geistigen Inhalt aufweist,

  • eine wahrnehmbare Formgestaltung gefunden hat und

  • in der die Individualität des Urhebers zum Ausdruck kommt.

Entscheidend ist hierbei das zentrale Merkmal der Individualität, anhand derer das Erreichen der Schöpfungs- oder Gestaltungshöhe zu bewerten ist. Darüber hinaus wird die Individualität als Kriterium dafür herangezogen, dass eine persönliche geistige Schöpfung stets auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit beruhen muss.

 

Unionsrechtliche Bestimmungen

Der Werkbegriff des Urheberrechtsgesetzes ist im Kontext unionsrechtlicher Bestimmungen zu sehen. Maßgeblich ist nach Unionsrecht, dass ein Werk dann vorliegt, wenn es sich um ein Original im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers handelt. Maßgeblich ist somit die Originalität des Objekts, wobei über das Merkmal der eigenen geistigen Schöpfung hinaus keine weiteren Kriterien anzuwenden sind.

Für die Schutzfähigkeit eines Werks kommt es also auf die Feststellung eines hinreichenden Maßes an Individualität bzw. Originalität an, wobei diesbezüglich angesichts der unionsrechtlichen Harmonisierung des Werkbegriffs werkartübergreifend keine sonderlich hohen Anforderungen zu stellen sind. Entscheidend ist aber, dass ein Gestaltungsspielraum besteht, der im Hinblick auf die Auswahl und Anordnung der gestalterischen Mittel von einem Menschen in schöpferischer Weise ausgenutzt worden ist, was sich im konkreten Werk entsprechend manifestiert. Wie maßgeblich der menschliche Anteil für die konkrete Ausgestaltung ist, lässt sich letztlich nur im Einzelfall beurteilen.

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Bisher erschienen:

Dr. Daniel Kögel,
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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