ChatGPT – Teil 4: Generative KI in der Rechtsberatung
ChatGPT wird als großer Durchbruch in der Künstlichen Intelligenz betrachtet. Gerade in den Rechtsberufen bieten Verfahren der generativen KI großes Potenzial. Im vierten Teil meiner Artikelserie untersuche ich Anwendungsfälle aus dem Bereich der juristischen Beratung.
Einsatzmöglichkeiten in der Rechtsberatung
Generative KI-Anwendungen bieten im juristischen Bereich verschiedene Einsatzmöglichkeiten – und zwar überall dort, wo sich Tätigkeiten infolge eines hohen Grades an Standardisierung und massenhaften Auftretens automatisieren lassen. Damit gewinnen auch Legal Tech-Anwendungen an Relevanz. Dieser Bereich der Informationstechnologie befasst sich mit der Automatisierung von juristischen Aufgaben auch unter Verwendung von KI und kann dazu beitragen, diese Aufgaben effizienter, zugänglicher und kostengünstiger zu gestalten. Dazu zählen:
Bereitstellen rechtlicher Informationen: KI-basierte Systeme können allgemeine rechtliche Informationen und Ratschläge bereitstellen. Sie können Fragen zu rechtlichen Verfahren, Rechten und Pflichten beantworten und potenzielle juristische Lösungen vorschlagen.
Analyse von Verträgen: Generative KI kann Verträge und andere rechtliche Dokumente analysieren, um relevante Informationen zu identifizieren. Dies kann Anwälten helfen, bestimmte Klauseln oder Bedingungen in Verträgen schneller zu finden und Risiken oder Unregelmäßigkeiten aufzudecken.
Analyse der Rechtsprechung: KI kann bei der Analyse von Rechtsprechung und juristischen Präzedenzfällen unterstützen. Sie kann große Mengen an Gerichtsentscheidungen durchsuchen und wichtige Informationen extrahieren, um bei der rechtlichen Argumentation und der Vorhersage von Ergebnissen zu helfen.
Dokumentenautomatisierung: KI kann genutzt werden, um rechtliche Dokumente automatisch zu erstellen, anzupassen und zu überprüfen. Anwälte können Vorlagen verwenden und spezifische Informationen eingeben, um Verträge, Testamente, Vereinbarungen und andere Dokumente zu generieren. Dies beschleunigt den Prozess der Dokumentenerstellung und reduziert das Risiko von Fehlern.
Rechtsstreitigkeiten und Schlichtungsverfahren: KI kann in der Vorhersage von Gerichtsentscheidungen eingesetzt werden, um mögliche Ausgänge von Rechtsstreitigkeiten zu prognostizieren. Dies kann Anwälten helfen, ihre Strategien zu planen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus können Online-Schlichtungsplattformen KI nutzen, um die Argumente beider Parteien zu analysieren und mögliche Lösungen zu empfehlen.
Compliance und Risikomanagement: KI kann bei der Überwachung von Unternehmensaktivitäten und der Identifizierung von potenziellen Compliance-Verstößen helfen. Durch die Analyse großer Datenmengen können KI-Systeme Muster und Anomalien erkennen, die auf Risiken oder Regelverletzungen hinweisen. Dies ermöglicht es Unternehmen, proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um rechtliche Probleme zu vermeiden.
Systeme im Einsatz
In der Praxis sind bereits KI-Systeme im Einsatz, die auf Methoden der generativen KI basieren, das Sprachmodell von ChatGPT nutzen und dabei speziell mit juristischen Daten eingelernt wurden.
Harvey AI basiert wie ChatGPT auf einer Version der GPT AI von Open.AI. Ausgehend von den Daten des GPT-Modells wurde Harvey AI mit juristischen Daten (einschließlich Rechtsprechung und Referenzmaterialien) weiter trainiert. Beim Einsatz in einer Kanzlei wird die KI mit den eigenen Arbeitsprodukten und Vorlagen der Kanzlei gefüttert, ähnlich wie beim Einarbeiten eines neuen Mitarbeiters in einer Anwaltskanzlei. Harvey AI unterstützt bei der Vertragsanalyse, der Due-Diligence-Prüfung, bei Rechtsstreitigkeiten und der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und kann dabei helfen, Erkenntnisse, Empfehlungen und Prognosen auf der Grundlage von Daten zu erstellen.
Auch der KI-Rechtsassistent CoCounsel nutzt das Sprachmodell von OpenAI, das für die juristische Praxis angepasst und mit eigenen Dokumenten eingelernt wurde. Das Tool bietet Anwälten die Möglichkeit, verschiedene Aufgaben wie Rechtsrecherche, Dokumentenprüfung, Vorbereitung von Zeugenaussagen und Vertragsanalyse an die KI zu delegieren.
Beide Anwendungen sind aktuell noch auf den US-amerikanischen Markt fokussiert. Aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch in Europa und Deutschland KI-Systeme bei der juristischen Arbeit assistieren.
Wir unterstützen Sie dabei, relevante Entwicklungen im IT-Recht im Blick zu behalten beraten bei allen Aspekten rund um die Digitalisierung und den Einsatz von KI und Legal Tech. Dabei helfen wir ihnen, Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.
Bisher erschienen:
ChatGPT – Teil 1: Welche Auswirkungen hat Generative KI auf den Rechtsbereich?
ChatGPT – Teil 2: Anwendungsfälle bei Strafverfolgung und Gefahrenabwehr
ChatGPT – Teil 3: Generative KI in der richterlichen Urteilsfindung
Dr. Daniel Kögel,
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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