AGB-Recht - Teil 5: Höhere Gewalt-Klauseln

Klimawandel, Pandemie und Krieg: Unternehmen sind gerade einer Vielzahl globaler Risiken ausgesetzt. Höchste Zeit also, einen Blick auf die Klauseln von höherer Gewalt in den AGB zu werfen und Fragen der Haftung zu klären. Denn bei höherer Gewalt ist ein Schuldner von der Haftung freigestellt.

Fragen der Auslegung

Doch wann gilt die Haftungsfreistellung bei höherer Gewalt? Für die Auslegung des Begriffs in den AGB kann grundsätzlich die Rechtsprechung herangezogen werden. Dabei müssen jedoch die Besonderheiten der eigenen Branche und des Vertragsinhalts berücksichtigt werden. Der Begriff umfasst alle betriebsfremden, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführten Ereignisse, die nach menschlicher Erfahrung unvorhersehbar sind. Sie gelten als höhere Gewalt, wenn sie nicht mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln und durch zu erwartende Sorgfalt verhütet oder unschädlich gemacht werden können und wenn sie nicht wegen ihrer Häufigkeit in Kauf zu nehmen sind.

Exogene Leistungshindernisse

Das Leistungshindernis muss also außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegen, das Hindernis darf nicht der Risikosphäre des Schuldners zuzurechnen sein. Als solche exogenen Hindernisse gelten:

  • Außergewöhnliche Naturereignisse: schwere Unwetter, Dürrekatastrophen oder Ähnliches. Ein solches Naturereignis ist dann nicht mehr als ungewöhnlich einzustufen, wenn es wiederholt auftritt und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Vertrag des Schuldners betreffen kann. Im Zuge des Klimawandels werden diese Fragen immer relevanter.

  • Hoheitliche Maßnahmen: diese beruhen auf politischen Erwägungen wie Embargos, Import- und Exportverbote, Sanktionen oder kriegerische Handlungen. Dagegen fallen hoheitliche Maßnahmen, die konkret auf den Schuldner oder seine Leistungen abzielen, in dessen Risikosphäre.

  • Eingriffe Dritter: dazu zählen Sabotageakte, Terroranschläge oder Ähnliches. Auch hier gilt: nur außergewöhnliches Verhalten kann als höhere Gewalt eingestuft werden.

Dabei setzt höhere Gewalt nicht nur voraus, dass das Leistungshindernis außerhalb der Risikosphäre des Schuldners liegt, sondern auch, dass der Schuldner keine Möglichkeit hatte, das Leistungshindernis durch zumutbare Maßnahmen zu verhindern oder zu überwinden. Was als zumutbar einzuordnen ist lässt sich nicht pauschal beurteilen. Hier müssen die konkreten Umstände jedes Einzelfalls bewertet werden.

Grenzwerte festlegen

Welchen Aufwand muss ein Schuldner auf sich nehmen, um ein Leistungshindernis zu überwinden? Dies ist gesetzlich nur äußerst abstrakt geregelt. Daher scheint es sinnvoll, in den AGB konkrete Grenzwerte festzulegen, die bei einer Überschreitung den Schuldner entweder von seiner Leistungspflicht freistellen oder ihm ein Recht auf Anpassung des Vertrags geben. Der Grenzwert muss dabei so gewählt werden, dass er den Leistungsanspruch des Klauselgegners nicht aushöhlt. Wenn die Klausel eine Anpassung nicht nur für Fälle höherer Gewalt, sondern auch für intrinsische Kostenerhöhungen vorsieht, gelten die allgemeinen Grundsätze für Preisanpassungsklauseln.

Gegenleistung entfällt

Wenn der Schuldner aufgrund höherer Gewalt nicht leisten muss, entfällt auch die Pflicht zur Gegenleistung. Eine Klausel, die den Fortbestand der Gegenleistungspflicht festschreibt, ist unzulässig. Eine Ausnahme dürfte dann gelten, wenn beiden Parteien das Risiko eines Hindernisses bei höherer Gewalt bewusst ist und es der Gläubiger bewusst übernimmt. in solchen Fällen dürfte es sich aber eher um eine Individualvereinbarung handeln.

Rücktrittsrecht ausschließen

Es kann jedoch zulässig sein, das Rücktrittsrecht das Klauselgegners auszuschließen, wenn ein vorübergehendes Leistungshindernis auftritt. Durch die zeitliche Befristung wird der Klauselgegner nicht benachteiligt, wenn die Leistungsverzögerung den Vertragszweck nicht gefährdet. Die Suspendierung des Rücktrittsrechts ist also in einem zumutbaren Zeitraum zulässig. Eine solche Suspendierung führt dazu, dass ein angemessener Nachfristzeitraum festgelegt werden muss.

Eine gesetzliche Haftungsbefreiung aufgrund von höherer Gewalt ist dann wirksam, wenn das betreffende Ereignis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbar war. Wenn also in den AGB eine Haftungsbefreiung vereinbart wurde, liegt es näher, dass der Schuldner das Risiko eines Ereignisses höherer Gewalt erkannt hat. Wir beraten Unternehmen bei der Gestaltung von Verträgen und unterstützen sie beim Bewerten von Haftungsrisiken und beim Ausarbeiten der relevanten Klauseln für die AGB.

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law),
Fachanwältin für IT-Recht
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