Vertragsrecht: Bezahlen mit Daten für digitale Produkte

Social Media Anbieter, Streamingdienste, Suchmaschinen: Plattformbetreiber mit solchen Angeboten verlangen für ihre Nutzung häufig keine Gebühren, doch kostenlos sind sie deshalb nicht. Denn die Plattformbetreiber sammeln systematisch die Daten ihrer Nutzer, werten sie aus und erzielen damit Einnahmen etwa über den Verkauf von Werbeplätzen oder auch den Verkauf der Daten an Dritte. Nutzer bezahlen in diesen Fällen nicht mit Geld, sondern mit ihren Daten.

Die Digitale Inhalte-Richtlinie (DID-RL) trägt dieser Praxis Rechnung und liefert einen rechtlichen Rahmen, der das Zahlen mit Daten dem Zahlen mit Geld gleichstellen soll. Die Richtlinie trägt dem Wert personenbezogener Daten im Wirtschaftsleben Rechnung. Sie wurde am 24. Juni 2021 mit dem sogenannten DID-Umsetzungsgesetz vom Bundestag verabschiedet und tritt zum 1. Januar 2022 in Kraft. Dies hat auch Neuerungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zur Folge. Der Gesetzgeber stellt klar, dass das Bezahlen mit Daten unter den Anwendungsbereich des allgemeinen Verbraucherrechts fällt. Zudem führt er neue Reglungen für digitale Produkte ein. Diese Regelungen werden unabhängig von der Vertragsart immer dann angewendet, wenn es sich bei dem Vertragsgegenstand um digitale Produkte handelt.

Ansprüche an digitale Produkte

Digitale Produkte können sowohl Inhalte – etwa Computerprogramme, E-Books oder Musikdateien – als auch Dienstleistungen sein. Zu Letzteren zählen zum Beispiel soziale Netzwerke sowie Plattformen zum Verkaufen, Vergleichen und Bewerten. Wie bei physischen Produkten hat ein Nutzer auch hier Ansprüche auf Mängelbeseitigung und Aktualisierung. Mit der neuen Richtlinie stehen diese Ansprüche nun nicht nur denjenigen zu, die das Produkt mit Geld erworben haben, sondern auch all denen, die dafür mit ihren personenbezogenen Daten bezahlt haben. Anbieter sind daher insbesondere verpflichtet, ihren Informationspflichten nachzukommen und – wenn ein Fernabsatzvertrag vorliegt - den Verbraucher über seine Widerrufsrechte aufzuklären.

Unterschiedliche Rechtsfolgen beim Bezahlen mit Geld und mit Daten

Beim Bezahlen mit Geld oder Daten gibt es unterschiedliche Rechtsfolgen. So erlischt beim Bezahlen mit Daten das Widerrufsrecht bereits dann, wenn die Dienstleistung vollständig erbracht wurde oder wenn der Anbieter mit der Ausführung seines Vertrags begonnen hat. Anders beim Bezahlen mit Geld: hier endet das Widerrufsrecht erst dann, wenn der Käufer dem Ausführungsbeginn zugestimmt hat und Kenntnis vom Verlust des Widerrufsrechts erlangt hat.

Auch bei der Mängelhaftung unterscheiden sich die beiden Zahlverfahren. Ein Nutzer, der mit seinen Daten zahlt, ist bei unerheblichen Mängeln nicht auf ein Minderungsrecht reduziert. Grund hierfür ist, das personenbezogene Daten keinen Preis darstellen, der angemessen gemindert werden könnte. Dafür hat er in diesem Fall – anders als jemand, der mit Geld bezahlt hat – das Recht, den Vertrag auch bei unerheblichen Mängeln zu beenden. Er darf in diesem Fall das Produkt nicht weiterbenutzen und auch nicht Dritten zur Verfügung stellen.

Sämtliche Rechte und Pflichten zur Nutzung personenbezogener Daten ergeben sich auch in diesem Fall aus der DSGVO. Dem Nutzer stehen also insbesondere das Recht auf Löschen und das Recht auf Datenübertragbarkeit zu. Um seine Daten zu löschen, muss ein Nutzer keinen Antrag stellen. Anbieter sind verpflichtet, die Daten unverzüglich zu löschen, sobald sie für die Erhebungszwecke nicht mehr notwendig sind. Wenn der Anbieter die Daten an Dritte weitergegeben hat, hat der Nutzer das Recht zu erfahren, an wen diese weitergegeben wurden.

Dem Anbieter wiederum hat das Recht der außerordentlichen Kündigung, wenn der Nutzer seine datenschutzrechtliche Einwilligung widerruft oder sein Recht auf Widerspruch geltend macht. Ersatzansprüche des Anbieters gegen den Nutzer sind ausgeschlossen. Damit soll verhindert werden, dass dem Nutzer Nachteile entstehen, wenn er seine Betroffenenrechte wahrnimmt.

Klärungsbedarf in der Praxis

Generell führen die neuen Vorschriften zu einer echten Besserstellung des Verbrauchers. In der Praxis werden konkrete Fragen hinsichtlich des Datenschutzrechts, etwa bei Fragen nach Auskunftsansprüchen relevant. Wir beraten Anbieter bei den Neuerungen im Vertragsrecht, der Identifikation relevanter Themen und der konkreten Umsetzung in den vertraglichen Regelungen.

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law), Fachanwältin für IT-Recht
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