AGB-Recht - Teil 2: Freizeichnungsklauseln

Selbst bei leichter Fahrlässigkeit lässt sich die Haftung für die Erfüllung wesentlicher Vertragspflichten in den AGB nicht ausschließen. In diesem zweiten Teil meiner Serie zum AGB-Recht gehe ich auf Freizeichnungsklauseln ein und erläutere die Auswirkungen der Vorhersehbarkeitsformel der Rechtsprechung, die Unternehmen sehr wenig Spielraum bei der wirksamen Beschränkung der Haftung lässt und die Vertragspartner zum Aushandeln von Individualvereinbarungen zwingt.

Das Freizeichnungsverbot

In seiner Rechtsprechung verbietet der Bundesgerichtshof (BGH) in den AGB diejenigen Klauseln, die den Vertragspartner von wesentlichen Vertragspflichten entbinden. Dabei sehen die Richter solche Vertragspflichten als wesentlich an, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung eines Vertrags erst ermöglichen. Als generell unzulässig betrachten sie Klauseln, die eine Haftung für die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten vollständig ausschließen. Eine Haftung ist somit über die AGB kaum begrenzbar.

Die Folgen des Freizeichnungsverbots sind gerade für Verträge zwischen Unternehmen weitreichend:

  1. Der vollständige Ausschluss der Haftung bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten ist nicht möglich.

  2. Beschränkungen der Haftung werden vom BGH nur in engen Grenzen akzeptiert, und zwar nur dann, wenn sie die Ersatzfähigkeit des vertragstypischen Schadens unberührt lassen. Das bezeichnet der BGH auch als Vorhersehbarkeitsformel.

Die Vorhersehbarkeitsformel

Für die Praxis ist vor allem relevant, welche Schäden von der Vorhersehbarkeitsformel erfasst sind. Es lassen sich dabei in der Rechtsprechung angemessene und unangemessene Beschränkungen unterscheiden.

Zu den angemessenen Beschränkungen zählt zum Beispiel eine Klausel in den AGB einer Textilreinigung, die ihre Schadensersatzpflicht auf das 15fache des Preises für die Reinigungsleistung beschränkt hat. Da angenommen werden konnte, dass damit 90 Prozent aller Schadensfälle abgedeckt waren, betrachtete der BGH die Klausel als angemessen und empfahl dem Reinigungsunternehmen für die nicht abgedeckten 10 Prozent eine Zusatzversicherung.

Zu den unangemessenen Beschränkungen zählt eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Wert des vom Kunden eingelagerten Gutes, sondern ein bestimmtes, viel niedrigeres Leistungsentgelt vorsieht. Auch die Beschränkung auf den Wert der angelieferten Rohware wird in der Rechtsprechung als unangemessen betrachtet. Der BGH vertritt die Auffassung, dass der Schaden auch Folgeschäden umfassen kann, die bei einem Händler aus dem Verhältnis des Auftraggebers zu den Abnehmern resultieren. Hier kann der Wert der Folgeleistung um ein Vielfaches höher liegen als der Wert der Rohware.

Nach aktueller Rechtsauffassung geht es dabei um die Frage, ob die Erfüllung der Leistungserwartung dem Verständnis des Vertragspartners entspricht. Generell stößt die Vorhersehbarkeitsformel auf überwiegende Zustimmung. Meist mit der Begründung, dass der vorhersehbare Schaden vom Verwender besser vermieden werden kann als vom Vertragspartner. Doch es finden sich auch kritische Positionen. Hier ist vor allem das Argument zu nennen, dass die Vorhersehbarkeitsformel eine Haftung nur in sehr geringem Umfang beschränkt und daher kaum Wirkung entfaltet.

Zum Teil 1 der AGB-Serie: Deutsches AGB-Recht – Die Krux des gesetzlichen Leitbilds und der Transparenz

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law),
Fachanwältin für IT-Recht
witzel@web-partner.de