Weniger Urlaub wegen Kurzarbeit? Worauf Unternehmen achten müssen

Kurzarbeit mildert die Herausforderungen der aktuellen Corona-Krise, eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Sie hilft dem Unternehmen, die wirtschaftlichen Folgen der Krise zu überstehen und sichert damit Arbeitsplätze. Offen ist hingegen die Frage, in welcher Form die Kurzarbeit auch den Anspruch auf Urlaub betrifft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte diesen Fall bisher nicht zu entscheiden.

EuGH sieht Kurzarbeit wie Teilzeit

Ein Urteil, das auch für das BAG relevant ist, hat der Europäische Gerichtshof im Dezember 2018 gefällt. Der EuGH vertritt darin die Ansicht, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub während der Kurzarbeit anteilig gekürzt werden kann, ohne dass dies gegen Unionsrecht verstößt (EuGH, 13.12.2018 – C-385/17). Er begründet dies damit, dass ein Arbeitnehmer die freiwerdende Zeit zum Ausruhen oder als Freizeit nutzen könne. Kurzarbeit sei daher mit Teilzeit gleichzusetzen. Hier führt die Reduzierung der Arbeitszeit zu einer anteiligen Reduktion des Urlaubsanspruchs.

Der EuGH ist der Auffassung, dass Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen verhindern soll und damit einen Vorteil für die Arbeitnehmer darstellt. Wenn der Arbeitgeber gezwungen würde, bei der Einführung von Kurzarbeit den vollständigen bezahlten Jahresurlaub zu gewähren, dann bestünde die Gefahr, dass sich der Arbeitgeber gegen Kurzarbeit entscheidet.

Kurzarbeit beim Jahresurlaub berücksichtigen

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf seinen Urlaub berechnet sich grundsätzlich auf der Basis des gesamten Urlaubsjahrs anhand der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage. Die Anzahl der Urlaubstage im Kalenderjahr ist also verknüpft mit der Anzahl der Tage, an denen eine Arbeitspflicht besteht. Die Kurzarbeit führt nach der Rechtsprechung des EuGH zu einer Reduktion des Jahresurlaubs – soweit nicht andere kollektiven oder individuelle Vereinbarungen getroffen wurden. Bei der Berechnung des Jahresurlaubs muss Kurzarbeit daher berücksichtigt werden.

Abschließend ist die Frage vom BAG bisher zwar nicht geklärt. Allerdings hat das BAG in einem Fall von unbezahltem Sonderurlaub entschieden, dass die Umrechnung des in Werktagen bemessenen Urlaubs in tatsächliche Arbeitstage grundsätzlich auch dann vorzunehmen sei, wenn die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten suspendieren und damit die bisherige Arbeitszeitregelung vorübergehend aussetzen (nach § 3 I BUrlG - BAG, 19.3.2019 – 9 AZR 406/17). Der Zeitraum des Sonderurlaubs sei bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mangels Arbeitspflicht mit „null“ Arbeitstagen anzusetzen, ein zusätzlicher Anspruch auf (bezahlten) Erholungsurlaub für die Zeit des Sonderurlaubs bestehe nicht (BAG,19.3.2019 – 9 AZR 406/17). Zumindest ist die Situation mit der Einführung von Kurzarbeit vergleichbar, da auch bei der Kurzarbeit die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag ganz oder teilweise suspendiert werden.

Klauseln in Betriebsvereinbarungen aufnehmen

Bis zu einer abschließenden Klärung durch das BAG sollten Arbeitgeber entsprechende Klauseln zur Kurzarbeit in Arbeitsverträgen sowie Betriebsvereinbarungen aufnehmen. Hier sollte festgehalten werden, dass der Jahresurlaub der Mitarbeiter (einschließlich des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden vertraglichen Mehrurlaubs) im Falle von Kurzarbeit (anteilig) – nach Maßgabe der freiwerdenden Wochenarbeitstage – gekürzt wird. Wie beim Gewähren von zusätzlichem vertraglichem Urlaub sollte auch hier klar zwischen diesem und dem gesetzlichen Mindesturlaub differenziert werden. Sollte das BAG eine Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs während voller Arbeitstage untersagen, so bliebe immerhin noch die anteilige Kürzung des vertraglichen Urlaubs. Gerne stehe ich Ihnen bei allen Fragen rund um Corona und das Arbeitsrecht zur Verfügung.

Timm Frauenknecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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