Videokonferenzen: wie sind sie rechtlich einzuordnen?
Seit der Pandemie erleben Videokonferenzen einen Boom. Sie sind aus unserem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Doch wie sind die Angebote von Google Meet, GoToMeeting, Teams, Skype Webex oder Zoom rechtlich einzuordnen? In meinem Beitrag untersuche ich, welche Rollen sich abgrenzen lassen und welche Rechte und Pflichten für diese Rollen daraus ergeben.
Durch die Änderungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) und dem Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) sind Ende 2021 auch neue Anforderungen entstanden, die Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung von Videokonferenzen haben.
Die Videokonferenz in der Definition des TKG
Videokonferenzen bieten einen direkten Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern. Das TKG fasst dies unter dem Begriff der interpersonellen Telekommunikation zusammen. Um als interpersonelle Telekommunikation zu gelten, müssen nach Maßgabe des TKG die Personen, die die Telekommunikation veranlassen oder daran beteiligt sind, die Empfänger bestimmen. Als Dienst gelten Angebote, die dem Veranstalter einer Videokonferenz einen direkten und interaktiven Informationsaustausch ermöglichen.
Zu einem Videokonferenzdienst gehören auch vielfältige Funktionen rund um die Konferenz. Dazu zählen das Buchen des Konferenzraums, das Einladen und Steuern der Konferenz, das Erstellen von Untergruppen, das Bereitstellen von Chats, die Steuerung von Mikrofonen und Kameras innerhalb der Konferenz, das Aufzeichnen der Konferenz, das Hochladen von Dokumente und Ähnliches.
Anders ist es beim reinen Streaming einer Veranstaltung. Hier ist es ausgeschlossen, dass ein Empfänger mit Bild oder Ton an der Veranstaltung teilnehmen kann. Daher kommt es hier nicht zu einem direkten interaktiven Informationsaustausch. Ein solcher Dienst fällt daher nicht unter den Begriff des interpersonellen Telekommunikationsdienstes.
TKG regelt Marktbeziehungen
Ziel des TKG ist es, den Markt für Telekommunikationsdienste zu regulieren. Das Gesetz soll unter anderem einen chancengleichen Wettbewerb sicherstellen und nachhaltig wettbewerbsorientierte Märkte im Bereich der Telekommunikationsdienste und -netze fördern. Ein wichtiges Merkmal eines solchen Marktes ist es, dass der Dienst gewöhnlich oder in der Regel gegen Entgelt erbracht wird. Das Gesetz unterscheidet zwischen Anbietern, die in einer Marktbeziehung stehen, und Nutzern, die weder einen Videokonferenzdienst erbringen noch eine Marktbeziehung eingehen.
Die Rolle des Anbieters
Die Einordnung als Telekommunikationsdienst setzt immer ein gegenseitiges Leistungsverhältnis von Anbieter und Nachfrager, auch Nutzer genannt, voraus. Als Anbieter firmiert der Betreiber eines Videokonferenzdienstes. Die Anbieter dieser Dienste, also etwa Cisco, Google oder Microsoft erbringen interpersonelle Telekommunikationsdienste und fallen unter das TKG. In den Anwendungsbereich des TKG fallen die Dienste, wenn sie in der Regel oder gewöhnlich gegen Entgelt erbracht werden. Das Entgelt stellt die Gegenleistung für das Erbringen der Leistung Videokonferenz dar.
Die Rolle des Nutzers
Anders ist es bei den Nutzern von Videokonferenzen. Zu ihnen zählen etwa Behörden, Hochschulen, Unternehmen und Vereine. Sie führen Videokonferenzen durch und zahlen dafür in der Regel ein Entgelt. Ein solches Entgelt kann auch darin bestehen, dass der Anbieter Nutzungsdaten erhebt oder er dem Empfänger Werbung übersendet. Auch wenn im Einzelfall kein Entgelt erhoben wird, gilt der Videokonferenzdienst als Telekommunikationsdienst, wenn auf dem Markt gewöhnlich oder in der Regel ein Entgelt erbracht wird. Der Veranstalter von Videokonferenzen ist kein Anbieter von Videokonferenzdiensten und damit auch kein Adressat des TKG.
Die Rolle des Teilnehmers
Ergänzend zu den Rollen des Anbieters und des Nutzers gibt es noch die Rolle des Teilnehmers. Wenn Unternehmen ihre Lizenzen nutzen, um mit Kunden, Lieferanten oder Partnern zu kommunizieren, bieten sie ihnen keinen Dienst an. Denn sie eröffnen diesen Teilnehmern keinen Markt, auf dem sie Leistungen gegen Entgelt anbieten. Ein Teilnehmer lässt sich mit einer Person vergleichen, die einen Telefonanschluss nutzt, um mit anderen Personen zu telefonieren.
TTDSG verpflichtet zum Fernmeldegeheimnis
Auch das TTDSG orientiert sich bei interpersonellen Telekommunikationsdiensten an Marktbeziehungen. Die Einordnung als Telekommunikationsdienst beinhaltet auch die Verpflichtung auf das Fernmeldegeheimnis. Es gilt damit auch für die Anbieter von Videokonferenzdiensten wie Cisco, Microsoft, Zoom usw. Damit ist auch der BfDI als Aufsichtsbehörde für diese Anbieter zuständig.
Vorgaben der DSGVO für Anbieter
Die Unterscheidung zwischen Anbietern und Nutzern hat auch Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der DSGVO. Wenn Anbieter von Videokonferenzdiensten öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste in öffentlichen Kommunikationsnetzen erbringen, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO, sondern der E-Privacy-Richtlinie und den nationalen Regelungen zu ihrer Umsetzung.
Allerdings gelten bei der Auftragsverarbeitung oder beim internationalen Transfer personenbezogener Daten auch die entsprechenden Anforderungen der DSGVO. Der EuGH verlangt in seinem Schrems II-Urteil zusätzliche Schutzmaßnahmen, wenn personenbezogene Daten in Drittländer ohne angemessenes Datenschutzniveau transferiert werden.
Vorgaben der DSGVO für Nutzer
Die Nutzung von Videokonferenzdiensten fällt insgesamt unter die Vorgaben der DSGVO. Der Veranstalter ist als Verantwortlicher im Sinne der DSGVO anzusehen. Er muss sicherstellen, dass alle Grundsätze der Datenverarbeitung und alle sonstigen Vorgaben der DSGVO eingehalten werden.
Ergänzend gelten die einschlägigen Regelungen aus dem TTDSG für Telemediendienste. Es handelt sich beim Veranstalter von Videokonferenzen um einen Mediendienst. Und zwar deshalb, weil er ein elektronischer Informations- und Kommunikationsdienst ist, der weder ein Telekommunikationsdienst noch ein telekommunikationsgestützter Dienst noch Rundfunk ist.
Fazit
Die Anbieter von Telekommunikationsdiensten fallen in die Zuständigkeit des TKG und der E-Privacy-Richtline. Die Nutzer hingegen fallen nicht in die Zuständigkeit des TKG. Sie müssen jedoch sicherstellen, dass alle Vorgaben der DSGVO und die einschlägigen Regelungen aus dem TTDSG für Telemediendienste eingehalten werden. Wir beraten Anbieter und Nutzer von Telekommunikationsdiensten bei rechtlichen Pflichten, identifizieren Handlungsoptionen und unterstützen sie bei der Umsetzung der Folgeschritte.
Rechtsanwalt Stefan Haßdenteufel
Experte für Open Source Software
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