Praxisreport Steuerstrafrecht – Ermittlungen im Kraftfahrzeuggewerbe

Denkwürdige Ermittlungen der Steuerfahndung

Betriebe, die mit gebrauchten Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugzubehör handeln, sind häufig bargeldintensiv und rücken deshalb schnell in den Fokus der Finanzverwaltung. Wie in der Gastronomie kommt es häufig zu Außenprüfungen, bei denen die Betriebsprüfer Auffälligkeiten oder Verstöße gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten entdecken. Diese führen regelmäßig zu unangenehmen Nachfragen bis hin zu einer Meldung der Auffälligkeiten an die Ermittlungsbehörden. Da die Rekonstruktion der tatsächlichen Umsätze jedoch bisweilen kaum verlässlich gelingt, bedienen sich die Finanzämter der Schätzung. Dass sie dabei teilweise die grundlegenden Voraussetzungen nicht beachten, zeigt unser Fall, der uns über mehrere Monate hinweg beschäftigte.

I. Feststellungen der Betriebsprüfung

Die Betriebsprüfung wollte festgestellt haben, dass unser Mandant in den Jahren 2010 bis 2016 Bareinzahlungen in erheblicher Höhe auf inländischen und ausländischen Konten vorgenommen hatte. Bargeldverkehrsrechnungen hätten ergeben, dass mit den vorhandenen Mitteln weder die vorgenommenen Bareinzahlungen geleistet werden konnten, noch Barmittel in ausreichender Höhe zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorhanden gewesen sein sollen.

II. Weiterführende Ermittlungen

Infolgedessen durchsuchte die Steuerfahndung die Wohn- und Geschäftsräume unseres Mandanten und fand Aufzeichnungen und Übersichten, denen zufolge unser Mandant Privatdarlehen an Angehörige in Frankreich ausgereicht und umfangreiche Einzahlungen auf französische Bankkonten veranlasst haben soll.

Wegen dessen initiierte die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts grenzüberschreitende Ermittlungen. Hierfür richteten die deutschen Behörden zunächst ein Rechtshilfeersuchen an die französische Republik, mit welchem sie Auskünfte über die dortigen Konten des Mandanten erbaten. Das Rechtshilfeersuchen lehnte das französische Berufungsgericht zunächst ab, weil sich dieses mit der Einführung der vorrangig geltenden Europäischen Ermittlungsanordnung („EEA“) über-schnitten hatte. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes stellte das Rechtshilfeersuchen daher nochmals erneut in Form der EEA. Auch dieses Ersuchen konnte jedoch nicht bearbeitet werden, da es an den falschen Empfänger gerichtet war. Im Ergebnis gelangte das Ersuchen der Bußgeld- und Strafsachenstelle erst Monate später an das zuständige französische Gericht.

Mit den Ermittlungen im Ausland hatten die deutschen Behörden schließlich ersichtlich ihre Mühen. Nicht nur, dass die EEA von einer unzuständigen Behörde, nämlich dem Finanzamt und nicht der Staatsanwaltschaft, gestellt wurde. Vielmehr ließen die Ermittlungsbehörden auch grundsätzliche strafprozessuale Prinzipien bei ihren Ermittlungen im Ausland außer Acht; unter anderem wurden die mit unserem Mandanten verwandten Zeugen nicht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt.

Denkwürdig war überdies, dass eine Dolmetscherin beauftragt wurde, die sich nicht auf die ihr übertragenen Übersetzungsarbeiten konzentriert, sondern eigene Ermittlungen und Mutmaßungen angestellt hat, die den Eindruck der Parteilichkeit aufkommen ließen.

III. Verteidigung

Zunächst war die von der Behörde vorgenommene Geldverkehrsrechnung anzugreifen, die schon grundlegende Anforderungen der Rechtsprechung missen ließ. Zum einen setzte die Behörde einen deutlich zu langen Betrachtungszeitraum an, der die Ungenauigkeiten einer Geldverkehrsrechnung nochmals verstärkte. Zum anderen fehlten die angeblichen Anfangs- und Endbestände des Vermögens. Die Behörde setzte diese Werte der Einfachheit halber mit Null an, obwohl die Feststellung dieser Bestände nach der Rechtsprechung des BFH unerlässlich ist. Wie die Behörde ohne die Ermittlung von Anfangsbeständen etwaig ungeklärte Vermögenszuwächse erklären will, blieb ihr Geheimnis.

Auch andere potentielle Geldquellen, wie Schenkungen oder Erbschaften, blieben gänzlich außer Betracht. Und last but not least legte die Behörde beim Versuch eines externen Betriebsvergleichs einen Rohgewinnaufschlagsatz von bis zu 650 % zugrunde, bei einem Mittelwert von 54 % nach der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums für Finanzen. Auf dem Papier mögen solche Umsätze – nicht nur für die Steuerbehörden, sondern auch für den Unternehmer – schön aussehen, an der Realität gingen die Berechnungen jedenfalls weit vorbei.

Einen weiteren Verteidigungsansatz lieferte die EEA, da sie nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern vom formell unzuständigen Finanzamt an die französische Republik gestellt wurde. Nach der europarechtlichen Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle eines deutschen Finanzamts keine kompetente Anordnungsbehörde für den Erlass einer EEA. Zuständig hierfür sind nach der Richtlinie nämlich ausschließlich ein Richter, ein Gericht, ein Ermittlungsrichter oder ein Staatsanwalt. Zwar führt die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren beim Verdacht einer Steuerstraftat grundsätzlich selbständig durch, wenn die Tat eine Steuerstraftat darstellt, und nimmt dabei die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen. Das macht sie aber nicht zu einer Anordnungsbehörde im Sinne der Richtlinie.

Die EEA wurde insofern von einer unzuständigen Behörde erlassen. Dieser gravierende prozessuale Mangel führte im Ergebnis dazu, dass die Ermittlungsergebnisse, die in Folge der rechtswidrigen EEA erlangt wurden, unverwertbar sind. Dies trifft insbesondere auf die Zeugenaussagen zu, nach-dem diese nicht über ihre grundlegenden Rechte belehrt wurden.

Weitere alternative Ermittlungsansätze hatte die Behörde nicht verfolgt. Sowohl bei den inländischen als auch den ausländischen Konten kamen erhebliche Lücken in den Ermittlungen zum Vor-schein, die zu schließen die Behörde bis zuletzt nicht in der Lage war. Auf andere Schätzungsmethoden wollte die Steuerfahndung offenbar nicht zurückgreifen. Sie hat sich vielmehr auf die lückenhaften Berechnungen und Ermittlungen gestützt und versucht, ihre Ergebnisse mit fadenscheinigen Argumenten zu untermauern. Letztlich hatte dies jedoch keinen Erfolg.

Wir unterstützen Unternehmer und Privatpersonen steuerliche Unregelmäßigkeiten zu korrigieren und verteidigen sie auch im Ermittlungsverfahren und vor Gericht gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung.

Michael Oberbörsch,
oberboersch@web-partner.de