Bundesfinanzhof: Höhere Besteuerung der Erbschaft durch die Bewertung des Pflichtteilsanspruchs möglich

Pflichtteilsansprüche des verstorbenen Ehegatten gegen den eigenen Elternteil sind als Teil seines Anfangsvermögens zu betrachten. Diesen Standpunkt vertritt der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem richtungsweisenden Urteil vom 22.07.2020. Der BFH betrachtet darin einen während des Güterstands der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen erworbenen Pflichtteilsanspruch als eine rechtlich geschützte Position des verstorbenen Ehegatten von wirtschaftlichem Wert. Sie ist bei der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung dem Anfangsvermögen des verstorbenen Ehegatten hinzuzurechnen. Für den überlebenden Ehegatten als Erben hat diese Auffassung in der Regel eine höhere Besteuerung zur Folge.

Pflichtteilsanspruch als Teil des Anfangsvermögens

In seiner Entscheidung ist der BFH der familienrechtlichen Literatur gefolgt. Dort herrscht die Meinung vor, dass Pflichtteilansprüche, unabhängig davon, ob sie geltend gemacht werden oder nicht, im Rahmen des Aktivvermögens im Anfangsvermögen anzusetzen sind. Der Grund für die Berücksichtigung soll das starre Stichtagsprinzip sein.

Einer in der Fachliteratur weitergehenden und ausgleichenden Ansicht, dass der Wert bei einer Berücksichtigung im Anfangsvermögen auch fiktiv im Endvermögen berücksichtigt werden müsse, erteilte der BFH eine kurze Absage. Die Folge der BFH-Entscheidung ist, dass durch das erhöhte Anfangsvermögen der Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten als Erben gegen den verstorbenen Ehegatten und damit auch der Wert des Erwerbs nach § 5 I 1 ErbStG reduziert wird. Damit drohen höhere Steuern.

Einspruch gegen den Steuerbescheid als Auslöser

Auslöser für die BFH-Entscheidung war der Einspruch eines Ehemannes als Miterbe gegen den Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts. Durch den Tod seiner Ehefrau wurde der Ehemann zu 3/4 Miterbe. Die Erbschaftsteuer hat das Finanzamt berechnet, indem es die Zugewinnausgleichsforderung von der Bemessungsgrundlage, also dem Wert des Erbes, abzog. Bei der Zugewinnausgleichsforderung ging das Finanzamt davon aus, dass ein während der Ehe durch den Tod ihrer Mutter erworbener Pflichtteilsanspruch der Ehefrau dem Anfangsvermögen der Ehefrau hinzuzurechnen sei (§ 1374 II BGB). Der Pflichtteilsanspruch sei aber nach Ansicht des Finanzamts im Endvermögen der Ehefrau zum Zeitpunkt ihres Versterbens nicht zu berücksichtigen, da der Anspruch zum Todeszeitpunkt der Ehefrau bereits verjährt gewesen sei.

Der Ehemann erhob Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid. Er meinte, dass der Pflichtteilsanspruch nicht zu berücksichtigen sei. Das Finanzamt änderte zwar den Bescheid auf den Einspruch hin ab, es beließ aber den Pflichtteilsanspruch im Anfangsvermögen der verstorbenen Ehefrau.

Der Ehemann verfolgte sein Anliegen vor dem Finanzgericht weiter. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es war der Ansicht, dass lediglich die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs nicht zur Erhöhung des Anfangsvermögens führe, sondern nur die Erfüllung eines Anspruchs. Da eine Erfüllung nicht vorlag, war nach Ansicht des Finanzgerichts das Anfangsvermögen nicht um den Pflichtteilsanspruch zu erhöhen. Schließlich sei der Zugewinnausgleich auf Ausgleich des real erworbenen Vermögens zwischen den Ehegatten gerichtet. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legte das Finanzamt Revision ein.

So begründet der BFH die Entscheidung

Der BFH gab der Revision statt und wies die Klage des Ehemannes ab. Der Pflichtteilsanspruch werde im Endvermögen nicht berücksichtigt, da er bereits verjährt sei. Der BFH stimmte außerdem der Ansicht des Finanzamts zu, dass der Pflichtteilsanspruch in das Anfangsvermögen der Ehefrau einzustellen sei (§ 1374 II BGB).

§ 5 I 1 ErbStG stellt eine Vorschrift zu Gunsten des Steuerpflichtigen dar. Obwohl eine Zugewinnausgleichsforderung nach dem Tod des Ehegatten nach § 1378 BGB nicht bestehe, gäbe § 5 I 1 ErbStG dem Finanzamt vor, eine fiktive Zugewinnausgleichsforderung zu ermitteln und diese bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer zu berücksichtigen.

Bei der Ermittlung des Endvermögens und des Anfangsvermögens gälten zunächst die gleichen Grundsätze (§§ 1374 I, 1375 I BGB). Es seien alle Aktiva und Passiva zu den Stichtagen zu berücksichtigen. § 1374 II BGB gäbe außerdem vor, dass während des Güterstands unter anderem durch Schenkung oder Erbschaft erworbene Vermögenspositionen dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen seien. Eine Vermögensposition sei auch eine Forderung. Dazu zählen ebenfalls rechtlich geschützte Positionen von wirtschaftlichem Wert. Der Pflichtteilsanspruch sei nach Ansicht des BFH eine solche geschützte Position, die im Anfangsvermögen zu berücksichtigen sei, da der Anspruch vererblich und übertragbar sei (§§ 2303, 2317 I BGB).

Vermögenspositionen frühzeitig überprüfen

Insbesondere Ehegatten sollten daher bereits zu Lebzeiten regelmäßig eine Übertragung von Vermögen prüfen, um den Freibetrag des § 16 I Nr. 1 ErbStG möglichst ideal auszunutzen und mehrfach zu verwenden, wenn die hier beschriebene Konstellation vorhanden ist, damit unliebsame Überraschungen bei der Bewertung des später vererbten Vermögens vermieden werden Dabei sollten die vorhandenen Vermögenspositionen ermittelt und eine entsprechende Berechnung aufgestellt werden. Eventuell wird hierfür auch eine Bewertung nach dem BewG erforderlich sein, die aber üblicherweise die Steuerberater der Steuerpflichtigen zügig bereitstellen können.

Wir beraten Ehepartner und alle anderen Familienangehörigen bei allen Fragen bei der Gestaltung der vertraglichen Rahmenbedingungen speziell bei Erbrechts- und Steuerfragen.

Erkan Elden, Bachelor of Science, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Familienrecht
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