Vertragsgestaltung in IT-Verträgen - Teil 2: Was eine Beschaffenheitsvereinbarung leisten muss

Beim neuen Mangelbegriff betrachtet der Gesetzgeber subjektive und objektive Mängel als gleichwertig. Für Hersteller von Software erhöhen sich die Herausforderungen und das Konfliktpotenzial damit weiter (siehe dazu auch den ersten Teil meines Beitrags Konfliktpotenzial bei Regelungen zur Sachmängelhaftung reduzieren).

Insbesondere steigen die Anforderungen an Inhalt und Qualität einer Beschaffenheitsvereinbarung. Im zweiten Teil meines Beitrags gehe ich auf die Anforderungen ein, die eine Beschaffenheitsvereinbarung erfüllen muss, um Konflikte aus den objektiven Anforderungen zu minimieren und Risiken angemessen zu verteilen. Gerade bei komplexen Produkten lässt sich selten ohne erheblichen Aufwand feststellen, was „üblich“ und „gewöhnlich“ ist. Auch der Käufer eines Softwareprodukts ist also besser bedient, wenn er einer Beschaffenheitsvereinbarung entnehmen kann, was ihn erwartet.

Umfassend, realitätsnah und transparent

Eine Beschaffenheitsvereinbarung sollte umfassend und der Realität entsprechend gestaltet werden. Dazu zählen sowohl funktionale Anforderungen, nicht-funktionale Anforderungen wie Usability und Zuverlässigkeit.

Will der Hersteller mit einer Beschaffenheitsvereinbarung die Risiken aus dem neu gefassten Mangelbegriff begrenzen, ist ein Vertragsbestandteil notwendig, der die Merkmale des Produkts beschreibt und keine (unzulässige) Beschränkung der Rechte des Käufers enthält.

Standardisierte Produkt- oder Funktionsbeschreibung

Da der Kaufgegenstand notwendigerweise aus vorgefertigten Standardkomponenten besteht, sollte eine standardisierte Produkt- oder Funktionsbeschreibung existieren und in den Vertrag einbezogen werden. Die reine Leistungsbeschreibung unterliegt nicht der Inhaltskontrolle, aber dem Transparenzgebot. Eine standardisierte Produkt- oder Funktionsbeschreibung muss demzufolge klar, verständlich, konsistent und widerspruchsfrei und im Idealfall lückenlos sein. Eine Klausel kann allein wegen ihrer Intransparenz unwirksam sein. Es ist nicht erforderlich, dass die intransparente Klausel den anderen Vertragspartner darüber hinaus materiell benachteiligt. Bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot wird auch eine intransparente leistungsbeschreibende Klausel als unwirksam betrachtet. Es bedarf noch genauerer Klärung durch die Rechtsprechung, was das für den gesamten Vertrag bedeutet. Klar ist in jedem Fall, dass sich durch eine intransparente Beschaffenheitsvereinbarung nicht die objektiven Anforderungen des Sachmangelbegriffs umgehen lassen.

Funktionale und nicht-funktionale Anforderungen

In der Produkt- und Funktionsbeschreibung ist zwischen funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen („functional and non-functional requirements“) zu unterscheiden. Funktionale Anforderungen legen fest, was das Produkt tun und leisten soll und beschreiben, welche Funktionen, Befehle, Anzeigen und Prozesse mit dem Produkt durchgeführt werden können. Damit wird auch festgelegt, welchem Zweck die Software dient. Die Funktionsbeschreibung sollte für den adressierten Leserkreis verständlich sein und eindeutig formuliert sein, um nur genau eine Interpretation durch den adressierten Leser zuzulassen. Neben der Verständlichkeit und Eindeutigkeit zeichnet sich eine gute Funktionsbeschreibung durch Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit, Prüfbarkeit, Adäquatheit und Risikoorientierung aus. Viele Produkt- und Funktionsbeschreibungen sind eher aus vertrieblicher Sicht gestaltet und haben vor allem werblichen Charakter. Als Orientierungshilfe können öffentlich zugängliche Beispiele für Funktionsbeschreibungen dienen. Solche finden sich etwa bei den Rechtsberatungslösungen der DATEV.

Mit Beschaffenheitsvereinbarungen Konflikte vermeiden

Bei Individualvereinbarungen sind dem Gestaltungsspielraum theoretisch kaum Grenzen gesetzt. Die gesetzlichen Mängelrechte lassen sich beschränken, auch der Mangelbegriff kann verändert werden. Grenzen ergeben sich daraus, dass ein Kunde nur selten auf Vorteile verzichtet, die ihm das Gesetz einräumt. Hinzu kommt, dass der Wunsch nach standardisierten Anwendungen immer größer wird und damit die Verwendung von AGB schon aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist.

Wie die Rechtsprechung zukünftig mit der Beschränkung des Mangelbegriffs in AGB umgehen wird, ist offen. Ohne eine Beschaffenheitsvereinbarung war und ist man als Hersteller jedenfalls schlecht beraten. Mit einer umfassenden Beschaffenheitsvereinbarung, die auch dem Transparenzgebot genügt, lässt sich schneller ermitteln, ob das verkaufte Produkt den Vereinbarungen entspricht oder nicht. Unternehmen sparen sich damit Sachverständigengutachten und Auseinandersetzungen zwischen den Vertragspartnern.

Wir beraten IT-Unternehmen bei der Vertragsgestaltung, insbesondere beim Bewerten der Risiken durch den neuen Mangelbegriff. Dabei identifizieren wir Handlungsoptionen und unterstützen beim Entwickeln einer Beschaffenheitsvereinbarung.

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law),
Fachanwältin für IT-Recht
witzel@web-partner.de