Die Strafzumessung in steuerstrafrechtlichen Verfahren

Oftmals werden Steuerstrafverfahren im Hinblick auf die Höhe der hinterzogenen Steuer und die zu erwartende Strafe bis zuletzt streitig geführt, da sich die Steuerfahndungsstelle bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts – und in vielen Fällen letzten Endes auch die Staatsanwaltschaft – nicht auf den Vortrag des Beschuldigten bzw. seines Rechtsbeistands und dessen steuerliche Würdigung des Sachverhalts einlassen möchten. Das Resultat ist häufig die Forderung nach Strafen, die den Rahmen einer angemessenen Ahndung (weit) übersteigen.

Dennoch bestehen bis zuletzt Verteidigungsmöglichkeiten, die sich insbesondere und bis zuletzt auch in der Hauptverhandlung noch im Rahmen des Plädoyers und der Strafzumessung niederschlagen können, was ein Fall aus der Praxis zeigt:

Sachverhalt

Ein selbständiger Immobilienmakler erzielte aus seiner Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er war damit nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet, vollständige und richtige Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen abzugeben. Zudem war er verpflichtet, monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen. Dieser Verpflichtung kam der Mandant für mehrere Jahre nicht nach, da keine Steuererklärungen mehr beim dem Finanzamt eingereicht wurden. Indem der Steuerpflichtige die Finanzbehörden somit über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis ließ und dadurch Steuern verkürzte, wurde der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

Ermittlungen der Steuerfahndung

Über sogenanntes Kontrollmaterial bzw. Kontrollmitteilungen – es handelt sich um interne Mitteilungen zwischen Finanzämtern über die Steuerpflichtigen – wurde die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts auf den Mandanten aufmerksam und beauftrage die Steuerfahndungsstellte mit weiteren Ermittlungen. Diese ergaben, dass der Mandant als Immobilienmakler am Markt auftritt und ihm – dies bestätigten weitere Kontrollmitteilungen diverser Finanzämter – mehrere Vermittlungsleistungen für Immobilien zugeflossen sind, die bislang nicht der Besteuerung unterworfen wurden. Auch diverse Kaufverträge über getätigte Immobilienverkäufe sowie Bestätigungen über Provisionszahlungen lagen den Behörden vor. Über eine einfache Internetrecherche durch die Finanzbehörde zeigte sich sodann, dass der Mandant eine Vielzahl von Immobilien vermittelte und diese auf einschlägigen Internetportalen anbot, was aus Sicht der Finanzbehörden „zweifelsfrei auf ein laufendes Gewerbe hindeutet[e]“. Nach einem Abgleich der Daten bei der Veranlagungsstelle sowie der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts wurden hingegen keine aktiven Steuernummern gefunden, weshalb die Behörde – zurecht – davon ausging, dass der Mandant steuerlich nicht mehr geführt wurde. Damit bestätigte sich ein Anfangsverdacht gegen den Immobilienmakler und es wurde ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen ihn eingeleitet. Die weiteren Ermittlungen führten schließlich unter anderem zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten, wo die Behörde alle beweiserheblichen Unterlagen auffinden konnte.

Verteidigung und Mitwirkung

Der Mandant war bereits bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume – er war zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten – sehr kooperativ und half den Behörden nach seinen Möglichkeiten, die korrekten Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Die Verteidigung in diesem Verfahren verlief deshalb in enger Zusammenarbeit mit den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden. Durch einen Wechsel der Gewinnermittlungsart gelang es uns zudem, den strafrechtlich relevanten Schaden um knapp 250.000 Euro zu reduzieren und damit eine Anklage zur Strafkammer beim Landgericht zu vermeiden. Im Raum stand gleichwohl immer noch eine Verkürzungssumme von etwas mehr als einer halben Million Euro.

Hauptverhandlung und Strafzumessung

Trotz umfangreicher Kooperation und einem konstruktiven Aufklärungsbeitrag wurde schon allein aufgrund der Schadenshöhe Anklage gegen unseren Mandanten beim Amtsgericht – Schöffengericht erhoben und ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Auch in der Hauptverhandlung zeigte sich der Mandant kooperativ und legte ein umfassendes Geständnis ab, das auch die Hintergründe erläuterte, weshalb es dazu kam, keine Steuererklärungen mehr abzugeben – nämlich um sich und seiner Ehefrau den Traum vom eigenen Restaurant im Ausland zu erfüllen und damit eine alternative Form der Altersvorsorge aufzubauen.

Am Ende ging es schließlich um die Frage der Strafzumessung. Wie sollte das Unrecht der Tat im Ergebnis zu ahnden sein?

Da es sich bei der Nichtabgabe der Steuererklärungen um ein schlichtes Unterlassen handelt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fakultative Strafmilderungsmöglichkeit eröffnet. Insbesondere handelte es sich hier nicht um ein komplexes Hinterziehungskonstrukt und wurden keine Belege gefälscht, was die Aufklärung der Taten erleichtert hat. Überdies beinhaltet das reine „Nichtstun“ die denkbar geringste Form der kriminellen Energie. Wir konnten zudem erfolgreich und wahrheitsgemäß darlegen, dass sich der Mandant zunehmend an die Tatbegehung „gewöhnt“ hat und schlicht vor dem Schritt zurück in die Steuerehrlichkeit resigniert ist, was auch die Dauer der Tatbegehung bzw. den Tatzeitraum erklärt hat – der im Übrigen bei revolvierenden Delikten deliktstypisch und jedenfalls nicht als strafschärfend anzusehen ist.

Auch waren das Vor- und Nachtatverhalten des Mandanten in den Blick zu nehmen und mussten Einzug in die Abwägung der Gesamtumstände finden. Der Mandant führte bis zur ersten Tat unentwegt ein gesetzestreues Leben, war nicht vorbestraft und bezahlte in seiner Vergangenheit als erfolgreicher Unternehmer stets und umfangreich seine Steuern. Das Nachtatverhalten zeichnete sich durch ehrliche Reue, ein frühzeitiges Geständnis bereits während der Durchsuchung seiner Räumlichkeiten sowie ein weiteres umfassendes Geständnis in der Hauptverhandlung aus. Auch das fortgeschrittene Lebensalter des Mandanten sowie eine günstige Sozialprognose waren im Rahmen der Strafzumessung als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen.

Zudem bemühte sich der Mandant – und hat dies gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Gericht auch für die Zukunft zugesichert – um die Wiedergutmachung des Schadens. Des Weiteren beauftragte er einen Steuerberater für die laufenden und künftigen Steuererklärungen, um seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Schließlich konnte die Verteidigung gegenüber dem Gericht darlegen, dass sich die Verdachtslage aufgrund der Kontrollmitteilungen bereits vor knapp dreieinhalb Jahren ergab und es seitens der Behörden fortlaufend zu Verzögerungen im Verfahren gekommen ist; allein für die Erhebung der Anklage benötigte die Staatsanwaltschaft zehn Monate, obwohl der Sachverhalt vollständig ausermittelt war. All dies war im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten unseres Mandanten zu berücksichtigen.

Im Ergebnis konnten wir über eine effektive Verteidigung im Rahmen der Strafzumessung erreichen, dass die ursprünglich von der Staatsanwaltschaft geforderte Freiheitsstrafe – für die Strafverfolger war der Betrag ausreichend, eine Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung auszusetzen – letzten Endes doch zur Bewährung ausgesetzt wurde und der Mandant auf freiem Fuß blieb.

Wir unterstützen Privatpersonen, Unternehmer und Unternehmen, steuerliche Unregelmäßigkeiten zu korrigieren und verteidigen sie auch im Ermittlungsverfahren und vor Gericht gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung.

Michael Oberbörsch,
oberboersch@web-partner.de