Scheidung: Ab welchem Vermögen entfällt der Unterhalt?
Der Grundsatz der Eigenverantwortung ist sakrosankt im deutschen Recht und wird doch gerne vergessen. Besonders nach einer Scheidung ist jeder Ehepartner verpflichtet, für seinen eigenen Bedarf selbst zu sorgen. Einen Anspruch auf Unterhalt hat ein geschiedener Ehepartner nur dann, wenn er nach der Scheidung nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Wann aber ist das der Fall? Und insbesondere: wann muss ein ehemaliger Ehepartner seinen Unterhalt allein aus seinem Vermögen bestreiten? Ein spannendes und gerade für Unternehmer relevantes Thema, wenn sie hohen Zugewinnausgleichsansprüchen ausgeliefert sind und zusätzlich Unterhalt zahlen sollen.
Eine wichtige und viel zitierte Entscheidung dazu hat das Oberlandesgericht Hamm schon vor Jahren getroffen. Im Beschluss vom 17. Januar 2012 (BeckRS 2013,116, Rn. 89ff.) geht das Gericht davon aus, dass bereits ein Zugewinn von 197.000 € zu einer Minderung des Unterhalts von monatlich 300 € führt. Mit seiner Berechnung unterstellt das Gericht, auf der Basis richterlicher Schätzungen, dass nach Kosten von dem Zugewinn 160.000 € verbleiben und legt eine Mindestverzinsung von 3% zugrunde. Das ergibt 400 € monatlich vor Steuern. Für die Versteuerung schätzt das Gericht einen Abzug von 100 € und kommt so zu einem Eigeneinkommen aus Vermögen nach Steuern in Höhe von 300 € monatlich.
Bei welchem Vermögen liegt die Grenze?
Bei welchem Vermögen ist die Grenze erreicht, bei der ein Ehepartner nicht mehr unterhaltspflichtig ist? Nehmen wir den Fall eines Ehepartners, der nach der Scheidung und infolge eines hohen Zugewinnausgleichsanspruchs über ein Vermögen von 3 Millionen € verfügt. Bei der Mindestverzinsung von 3 % lassen sich damit monatlich vor Steuern 7.500 € erzielen. Wenn er sein Vermögen anlegt, wird sich der Betrag erhöhen und steuerlich optimieren lassen, etwa durch den Erwerb von Mietwohnungen. Doch selbst wenn der Ehepartner nur kapitalertragssteuerpflichtige Gewinne erzielt, werden ihm nach Steuern rund 5.500 € monatlich verbleiben.
Das eigene Einkommen des Ehepartners spielt natürlich ebenfalls eine Rolle. Angenommen der Ehepartner verdient aus Erwerbstätigkeit noch 2.000 € monatlich netto, dann stehen ihm nach der Scheidung insgesamt mit den Kapitalerträgen 7.500 € zur Verfügung. Berücksichtigt man dann noch die gebotene Objektivierung des Bedarfs im nachehelichen Bereich, verbleibt kein Platz mehr für Unterhaltsansprüche.
Alles „cum grano salis“, denn das konkrete Ergebnis lässt sich immer nur individuell bestimmen. Generell bleibt die Eigenverantwortung die Regel und der Unterhaltsanspruch die Ausnahme. Das OLG Hamm spricht in seiner Entscheidung schließlich auch davon, dass das Vermögen sogar in seiner Substanz zur Bedarfsdeckung herangezogen werden kann, wenn ,,der Unterhaltsbedürftige ... über hinreichende eigene Anrechte auf Altersversorgung verfügt“, d. h. das Vermögen nicht notwendiger Weise für die Versorgung im Alter erhalten werden muss.
Hat der geschiedene Ehegatte neben einem hohen Zugewinnausgleichsanspruch auch noch über den Versorgungsausgleich Anrechte auf Altersversorgung erworben, die ihn im Alter bedarfsgerecht absichern, ist einem Verbrauch des Vermögens damit wenig entgegenzuhalten. Von 3 Mio. € lässt sich schließlich über 30 Jahre leben, auch bei einem vergleichsweise hohen Bedarf von über 7.000 € monatlich! Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen zum Unterhaltsanspruch für ein Beratungsgespräch zur Verfügung.
Martin Haußleiter, Fachanwalt für Familienrecht
haussleiter@web-partner.de