Digitalisierung von Verträgen durch Smart Contracts - Teil 2: Grenzen und Hindernisse
Mit Smart Contracts lassen sich Vorgänge automatisieren, die sonst von den Vertragsparteien ausgeführt würden. Sie bieten vor allem erhebliches Potential im Bereich standardisierbarer Massengeschäfte. Nachdem ich im ersten Teil die Funktionsweise und wichtige Anwendungsfelder vorgestellt habe, beleuchte ich in diesem zweiten Teil die rechtlichen Grenzen und Hindernisse beim Einsatz von Smart Contracts.
Voraussetzungen für Smart Contracts
Um einen Vertragsschluss mittels Smart Contract annehmen zu können, müssen automatisierte kongruente Willenserklärungen von demjenigen vorliegen, der das elektronische System einsetzt. Letztlich muss ein solcher Vorgang aber wiederum auf einer Abrede der Vertragsparteien beruhen, durch Einsatz eines Smart Contracts einzelne Verträge abzuschließen und hierdurch ihre rechtlichen Beziehungen auszugestalten. Entscheidend ist im Einzelfall nur, ob die automatisiert abgegebene Willenserklärung zutreffend zugerechnet werden kann.
Pflichtverletzungen und Gewährleistung
Die Vertragsausführung mittels einer Blockchain erschwert manche Arten der Rechtsausübung und macht andere sogar unmöglich. Dies lässt sich insbesondere für Gewährleistungsfälle feststellen. Sollte sich im Rahmen der Leistungserbringung herausstellen, dass z.B. der gekaufte Gegenstand einen Sachmangel aufweist, führt dies zur Anwendung der Mängelrechte. Deren Ausübung unterliegt allerdings einem abgestuften Rangverhältnis, dem auch Smart Contracts Rechnung tragen müssen.
Ungeachtet der Schwierigkeiten, die bereits die Feststellung eines Mangels aufwerfen kann, erscheint es jedenfalls möglich, das Ersuchen um Nacherfüllung zufriedenstellend automatisiert zu lösen. Sollte eine Nacherfüllung jedoch nicht erfolgen, müsste ein Wahlrecht ausgeübt werden (Rücktritt oder Kaufpreisminderung), wozu ein Smart Contract nicht mehr geeignet ist.
Aufgrund der Struktur von Smart Contracts können Ereignisse nur im Hinblick auf eine bestimmte Folge verarbeitet werden, nicht hingegen zu alternativen Ergebnissen führen und eine eigene Auswahlentscheidung treffen. Dies könnte aber dahingehend gelöst werden, dass diese Entscheidung bereits aufgrund entsprechender vertraglicher Absprachen antizipiert und entsprechend programmiert wird.
Als problematisch erachtet wird teilweise auch, dass Smart Contracts in pseudonymisierter Form vollzogen werden, weil die jeweils agierenden Parteien sich mittels public key und private key in der Blockchain authentifizieren. Dieser Aspekt wird dann keine Rolle spielen, wenn Smart Contracts lediglich zur Durchführung eines bestehenden Vertrags eingesetzt werden, bei dem die Vertragsparteien bereits bekannt sind.
Unlösbar sind hingegen Fälle von Pflichtverletzungen, in denen wertungsbedürftige Merkmale wie das Verschulden oder die Angemessenheit der Fristsetzung festgestellt werden müssten. Dementsprechend dürften bei Smart Contracts vertragliche Bestandteile übrigbleiben, die sich nicht automatisiert vollziehen lassen und immer noch einer Bearbeitung durch einen Menschen bedürfen.
Nichtige Rechtsgeschäfte
Transaktionen in einer Blockchain sind irreversibel festgeschrieben und können nachträglich weder abgeändert noch gelöscht werden. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn per Smart Contracts bereits durchgeführte Rechtsgeschäfte sich als nichtig herausstellen, weil sie etwa sittenwidrig sind, gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen oder in zulässiger Weise angefochten werden. Ebenso wie sich der nichtige Vorgang unabänderbar eintragen ließ, ist es aber möglich, dessen Nichtigkeit nachträglich in der Blockchain festzuschreiben. Durch eine solche Reverse Transaction mag zwar die Transaktionshistorie nicht juristisch korrekt wiedergegeben sein, allerdings lässt sich die Nichtigkeit ebenso wie die betroffene Transaktion selbst unlöschbar festhalten.
In Fällen der Nichtigkeit besteht allerdings die grundlegende Schwierigkeit, dass Nichtigkeitsgründe selbst Wertungsfragen darstellen und einer automatisierten Bearbeitung daher schon nicht zugänglich sind, zumal die Anfechtung als Gestaltungsrecht überhaupt erst erklärt werden muss. Bestimmte Nichtigkeitsgründe wie z.B. die Formnichtigkeit könnten jedoch digital prüfbar erfasst werden, ebenso Verstöße gegen eindeutige gesetzliche Verbote.
Änderung der Beweislastverteilung
Durch die automatisierte Vertragsdurchführung können sich die Anspruchsgrundlagen verschieben. Während der Schuldner einer Leistung im Normalfall beweisen muss, ordnungsgemäß geleistet und den Vertrag seinerseits erfüllt zu haben (z.B. durch Zahlung), verschiebt sich die Beweislast in Fällen automatisierter, aber fälschlicherweise durchgeführter Transaktion zu Lasten des Gläubigers, der nun seinerseits beweisen muss, dass der Schuldner infolge der automatisierten Vollziehung seiner Gegenleistung etwas zu Unrecht erlangt hat; er muss nun einen Kondiktionsanspruch darlegen und beweisen.
AGB-Recht
Änderungen der Beweislastverteilung können privatautonom vereinbart werden. Solche Verschiebungen stehen der Zulässigkeit von Smart Contracts daher nicht per se entgegen. Allerdings wäre dies dann anders zu bewerten, wenn sich die Vertragsdurchführung mithilfe eines Smart Contracts als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) klassifizieren lassen.
Dabei stellt sich schon die Frage, ob ein Computerprogramm als AGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden sein konnte, weil der Vertragspartner des Verwenders hierfür die Möglichkeit der Kenntnisnahme haben muss. Sollte man dies verneinen, etwa weil der Programmcode nicht nachvollzogen werden kann, stünde das Konzept der Smart Contracts generell in Frage. Es ließe sich allerdings schon darauf abstellen, dass die eigentliche vertragliche Abrede vom Smart Contract als deren Umsetzung zu trennen ist und nur der Vertrag den Anforderungen des BGB genügen muss. Zudem erscheint überhaupt fraglich, ob Smart Contracts als AGB angesehen werden können, da es sich bei deren Verwender regelmäßig um einen Diensteanbieter und somit einen Dritten handeln wird.
Rechtliche Grenzen
Wie wir gesehen haben, schließen wertungsbedürftige Begriffe die Anwendung von Smart Contracts aus. Ein Computerprogramm in Gestalt eines Smart Contract ist weder dafür konzipiert noch dazu in der Lage zu beurteilen, was etwa sittenwidrig ist. Dieses Problem trat auch schon in Bezug auf Pflichtverletzungen auf, die eine Bewertung z.B. der Angemessenheit einer Frist erfordern.
Es handelt sich hierbei um verschiedene Beispiele dafür, dass Smart Contracts in solchen Fällen a priori ungeeignet sind, in denen unbestimmte Rechtsbegriffe zu den tatbestandlichen Voraussetzungen gehören, weil dann eine automatisierte Vertragsdurchführung technisch nicht umsetzbar ist.
Aufgrund der dauerhaften Rückverfolgbarkeit der Blockchain kann das Datenschutzrecht unüberwindbare rechtliche Hindernisse schaffen. Auch wenn die Einhaltung datenschutzrechtlicher Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei Verwendung der Blockchain-Technologie bereits sehr fraglich erscheint, mag die Datenverarbeitung selbst zulässig sein. An Grenzen stoßen Smart Contracts aber in Bezug auf die Ausübung von Betroffenenrechten: Mit der Blockchain inkompatibel sind insbesondere die Rechte auf Berichtigung sowie auf Löschung personenbezogener Daten. Diese Probleme lassen sich allenfalls dadurch lösen, dass man dem Anspruch auf Berichtigung durch Reverse Transactions begegnet und sich in Bezug auf den Löschungsanspruch, soweit möglich, auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beruft.
Fazit
Smart Contracts weisen zwar in manchen Bereichen erhebliches Potential auf, können aber nicht auf sämtliche Fragen der Vertragsgestaltung eine geeignete automatisierte Lösung liefern. Es gibt Grenzen und Hindernisse, die ihre Einsatzmöglichkeiten einschränken und juristische Risiken bergen. Wir unterstützen Sie dabei, relevante Entwicklungen im IT-Recht im Blick zu behalten beraten bei allen Aspekten rund um die Digitalisierung und den Einsatz von Legal Tech. Dabei helfen wir ihnen, Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.
Dr. Daniel Kögel,
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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