Digitalisierung von Verträgen durch Smart Contracts - Teil 1: Anwendungsmöglichkeiten

Bei der Digitalisierung des Vertragsrechts ruhen viele Hoffnungen auf sogenannten Smart Contracts. Mit diesen Programmen, die häufig mithilfe von Blockchains umgesetzt werden, lassen sich Vorgänge automatisieren, die sonst von den Vertragsparteien ausgeführt würden. Doch es ist häufig nicht ganz klar, was genau sich hinter Smart Contracts verbirgt und inwieweit sich das Ausführen von Verträgen automatisieren lässt.

Im ersten Teil meines zweiteiligen Beitrags stelle ich die Funktionsweise von Smart Contracts vor und zeige anhand wichtiger Anwendungsfelder, wie damit eine Digitalisierung von Verträgen möglich ist.

Was ist ein Smart Contract?

Bei einem Smart Contract handelt es sich um ein Computerprogramm, mit dem ein Vertrag bzw. dessen Bestimmungen digital abgebildet werden. Ob ein Vertrag vorliegt, ist anhand der allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen zu entscheiden. Dabei setzt ein Smart Contract nicht notwendigerweise schon einen bestehenden Vertrag voraus, dessen Klauseln dann mit der Software umgesetzt werden. Selbst, wenn Smart Contracts grundsätzlich darauf angelegt sind und aus diesem Grunde auch als selbstausführende Verträge bezeichnet werden, mit denen vorrangig die Automatisierung der Vertragsabwicklung bezweckt wird. Grundsätzlich möglich ist auch der Vertragsschluss mithilfe eines Smart Contracts, wenn hierüber Willenserklärungen in zurechenbarer Weise übertragen werden.

Letztlich bleibt ein Smart Contract aber stets eine digitale Abbildung menschlicher Rechtsbeziehungen und lässt sich als ein in Form eines Computerprogramms umgesetzter Mechanismus beschreiben, mit dem Verträge automatisiert durchgeführt und in Einzelfällen auch abgeschlossen werden können.

Drei Elemente zeichnen einen Smart Contract dabei aus:

  1. Es muss ein digital prüfbares Ereignis vorliegen, das in Form einer eindeutigen Entscheidung verarbeitbar ist (true/false),

  2. das Ereignis wird mithilfe des Algorithmus eines Computerprogramms verarbeitet,

  3. daraufhin erfolgt die Ausführung einer rechtlich relevanten Handlung.

Entscheidend ist dabei, dass die Verarbeitung und Ausführung eines Vertrags automatisiert erfolgen kann und eine zwischengeschaltete Instanz nicht vorhanden ist. Ein Smart Contract ist demzufolge nichts anderes als ein Computerprogramm, das eindeutig bestimmte Vorgänge verarbeiten und hierdurch rechtlich bedeutsame Zustandsveränderungen herbeiführen kann, d.h. ein Programm zur Steuerung von Rechtsgeschäften. Die Besonderheit von Smart Contracts liegt in deren technischer Umsetzung begründet.

Umsetzung auf der Blockchain

Insbesondere auf Basis der Blockchain-Technologie lässt sich der zentrale Gedanke von Smart Contracts umsetzen: die automatisierte Durchführung von Verträgen ohne menschliche Kontrolle bei Gewährleistung der Richtigkeit von Transaktionen. Eine Blockchain stellt sicher, dass der Vorgang parallel von mehreren Rechnern in einem Netzwerk validiert und ausgeführt wird (ein sogenannter distributed ledger).

Anwendungsmöglichkeiten

Smart Contracts setzen ein hohes Maß an Standardisierbarkeit voraus. Sie entfalten ein erhebliches Potential zur Einsparung von Transaktions- oder Vollzugskosten nebst signifikantem zeitlichem Gewinn vor allem dann, wenn sie für eine Vielzahl gleichgelagerter Lebenssachverhalte Anwendung finden, die stets derselben Rechtsfolge zugeführt werden sollen.

Darüber hinaus können Smart Contracts einen Intermediär ersetzen. Dieser ist dann erforderlich, wenn nicht ein einziger Anbieter vorhanden ist, der den Leistungsaustausch zentral steuern kann, sondern der gegenseitige Leistungsaustausch zwischen zwei Rechtssubjekten vermittelt und abgewickelt werden muss. Insofern können Smart Contracts die hierfür ansonsten benötigte Plattform substituieren.

Dies eröffnet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, von denen ich hier einige vorstelle. Nachdem Smart Contracts insbesondere für Massengeschäfte geeignet sind, bietet sich ihr Einsatz dort an, wo eine erhebliche Anzahl von Rechteeinräumungen gegen Zahlung eines Entgelts vorzunehmen ist.

Immaterialgüterrecht

In diesem Bereich sind Smart Contracts vor allem für das Einräumen urheberrechtlicher Nutzungsrechte prädestiniert. Der Sachverhalt ist in solchen Fällen sehr einfach gelagert und eignet sich gut für eine automatisierte Vertragsdurchführung: Auf Basis eines Lizenzvertrags soll dem Lizenznehmer vom Lizenzgeber ein Nutzungsrecht an einem urheberrechtlich geschützten Werk verschafft werden. Hierfür soll der Lizenznehmer dem Lizenzgeber die vereinbarte Lizenzgebühr bezahlen. Sobald über eine Schnittstelle dem Smart Contract mitgeteilt wird, dass die entsprechende Zahlung erfolgt ist, kann das Computerprogramm nun selbständig die Gewährung des Rechts vornehmen. Schon aufgrund der Vielzahl von Rechteeinräumungen im urheberrechtlichen Bereich, die aufgrund der ubiquitären Nutzbarkeit von Urheberrechten gegeben ist, können Smart Contracts eine Vielzahl an Vorgängen wesentlich schneller ausführen als dies bei manueller Prüfung und Freigabe möglich wäre.

Ob der Einsatz von Smart Contracts tatsächlich im Bereich von Immaterialgüterrechten erfolgt, hängt aber wesentlich davon ab, ob der Nutzer das entsprechende Nutzungsrecht von einem Verwerter erhalten kann oder die Rechteverwaltung unmittelbar durch die Urheber selbst erfolgt. Gerade im letztgenannten Fall können Smart Contracts ein erhebliches Potential entfalten und in Verbindung mit der Blockchain-Technologie auch die notwendige Gewähr der Sicherheit von Transaktionen bieten.

Auch im Bereich der Lizenzvertragsverwaltung und bei Bestehen lizenzvertraglicher Dauerbeziehungen ist der Einsatz von Smart Contracts denkbar, denn hierdurch kann eine dem Nutzungsmaß entsprechende, verbrauchsbasierte Vergütung bei Bestehen einer Rahmenvereinbarung erfolgen. Zudem erscheint über Smart Contracts die Registerführung von Urheberrechten, der Identität des Urhebers und der Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten denkbar, so dass sich der Nutzer hierdurch zuverlässig Informationen über ein Urheberrecht und die zugehörigen Berechtigungen verschaffen kann.

Mietvertragsrecht

Mietvertragliche Absprachen über die Nutzung eines Fortbewegungsmittels oder einer Unterkunft können ohne Weiteres mithilfe eines Smart Contracts vollzogen werden, indem die Zahlung der vereinbarten Miete dem Computerprogramm mitgeteilt wird, woraufhin der Mietgegenstand unmittelbar freigeschaltet und zur Nutzung überlassen wird. So ließe sich z.B. der Mietvertrag über einen eScooter über das Internet abschließen und unmittelbar danach vollziehen.

Dabei wäre die Möglichkeit des Einsatzes von Smart Contracts insbesondere für Vermieter reizvoll, denn ebenso wie der Gebrauch der Mietsache automatisiert freigeschaltet werden kann, lässt sich die Fortsetzung der Nutzung bei Eintritt gewisser Bedingungen auch automatisiert sperren, wenn etwa ein fälliger Mietzins nicht bezahlt wird oder die vertraglich vereinbarte Mietzeit erreicht ist.

Internet of Things

Der Einsatz ist hier bei Geräten denkbar, die mit Smart Contracts automatisch die Versorgung mit Nachschub sicherstellen. Als Beispiel wäre ein Kühlschrank zu nennen, der erkennen kann, ob Vorräte zur Neige gehen und diese selbständig nachbestellt. Ebenso denkbar wäre ein Drucker, der Tintenpatronen und Papier automatisiert nachbestellt oder ein Wasseraufbereitungsgerät, das für Ersatz entleerter Gaskartuschen sorgt. Im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung kann bereits vorab festgelegt werden, unter welchen Bedingungen die Bestellung von Bedarfsmaterial selbständig erfolgen soll. Bei Eintritt des zuvor definierten Ereignisses und Mitteilung der physisch messbaren Tatsache in elektronischer Form an den Smart Contract wird die vertragliche Vereinbarung automatisiert umgesetzt und der jeweils benötigte Gegenstand nachbestellt.

Finanz- und Versicherungswesen

Eine große Bedeutung im Finanzbereich kommt der automatisierten Durchführung von Transaktionen zu, denn damit lassen sich zwischengeschaltete Instanzen wie Kreditinstitute oder Händler ausschalten. Besonders aussichtsreich erscheint die Verwendung von Smart Contracts im Bereich des Derivatehandels.

Auch Versicherungsverträge eignen sich für die automatisierte Durchführung mittels Smart Contracts auf einer Blockchain. Denn die Mitteilung vom Eintritt des Versicherungsfalls kann auch in elektronischer Form über entsprechende Schnittstellen erfolgen und dazu führen, dass eine vertraglich fixierte Versicherungssumme umgehend automatisiert ausbezahlt werden. Als Beispiel werden etwa Naturkatastrophen angeführt, auch der praktisch bedeutsame Bereich der Kfz-Versicherungen bietet sich jedoch für Smart Contracts an. Je nach Risikoneigung des Fahrers kann die Versicherungspolice für das Fahrzeug automatisch angepasst werden, ebenso kann die tatsächlich festgestellte Fahrleistung eine sehr präzise Erfassung der Versicherungsleistung ermöglichen.

Fazit

Auch wenn Smart Contracts keine disruptive Neuerung im Bereich der automatisierten Vertragsabwicklung bilden, haben sie ein erhebliches Potential im Bereich standardisierbarer Massengeschäfte. Dabei gibt es verschiedene Anwendungsbereiche, von urheberrechtlichen Rechteeinräumungen bis zum Internet of Things, in denen Smart Contracts relevante Anwendungsfälle darstellen und aufgrund des Verzichts auf zwischengeschaltete Instanzen signifikante Einsparungen hinsichtlich Vollzugs- und Transaktionskosten herbeiführen können.

Wir unterstützen Sie dabei, relevante Entwicklungen im IT-Recht im Blick zu behalten beraten bei allen Aspekten rund um die Digitalisierung und den Einsatz von Legal Tech. Dabei helfen wir ihnen, Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.

Dr. Daniel Kögel,
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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