Die Berücksichtigung von Belastungen im Zugewinn
Der Zugewinn von Ehegatten ermittelt sich durch die Bilanzierung von aktiven und passiven Vermögenswerten zu den entsprechenden Stichtagen. Während Aktivposten zumeist unschwer zu ermitteln sind, bestehen in der Praxis hinsichtlich der Belastungen Unsicherheiten.
Der Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt. Sowohl das Anfangs-, als auch das Endvermögen der Ehegatten ermittelt sich nach den aktiven Vermögenswerten abzüglich bestehender Belastungen. Abzuziehen sind Verbindlichkeiten die bereits entstanden sind, unabhängig davon ob sie bereits fällig oder nur befristet sind. Die in der familienrechtlichen Praxis wohl am häufigsten vorkommenden Belastungen sind:
negative Konten und Darlehensverbindlichkeiten,
Steuerschulden und
gegenseitige Forderungen zwischen Ehegatten.
Bei der Berücksichtigung dieser Belastungen bestehen in der Praxis nur wenige Schwierigkeiten. Zumeist sind diese eindeutig zu ermitteln und lassen sich mit nicht allzu großem Aufwand belegen.
Neben diesen „gängigen“ Belastungen gibt es jedoch weitere Belastungen, deren richtige Berücksichtigung größere Herausforderungen darstellen können. Zu nennen sind hier zum einen auf Immobilien lastende Nießbrauchsrechte, zum anderen sog. latente Steuern. Während bestehende Nießbrauchsrechte oftmals falsch als Belastung angesetzt werden, werden latente Steuern gerne außen vor gelassen. Zu groß ist wohl die Hemmung des Zivilrechtlers vor den vermeintlichen „Untiefen“ des Steuerrechts. Der sichere Umgang mit diesen Positionen ist jedoch gerade für den Familienrechtler essentiell, da sich durch den richtigen Ansatz erhebliche Unterschiede im Rahmen der Zugewinnausgleichsberechnung ergeben können.
Vorweggenommene Erbfolge und Nießbrauchsrechte
In der Praxis werden durch einige Kollegen regelmäßig und ungeprüft Abschläge an übertragenen Immobilien aufgrund von bestehenden Nießbrauchsrechten vorgenommen. Solche sind jedoch im überwiegenden Fall nicht veranlasst, vgl. BGH XII 306/14. Nach der Entscheidung des BGH unterliegt der fortlaufende Wertzuwachs einer Zuwendung aufgrund des abnehmenden Werts des Nießbrauchs zwischen dem Erwerbszeitpunkt und dem Stichtag für das Endvermögen nicht dem Zugewinn, d. h. er ist privilegiert. Nach dem damit die bislang geltende Rechtsprechung zur Ermittlung dieses Wertzuwachses aufgegeben wurde, ist der Nießbrauch nicht mehr im Anfangs- und Endvermögen zu erfassen. Das gleiche Ergebnis wie nach der alten Rechtsprechung, wird auf diese einfachere Weise erzielt. Eine Feststellung und Indexierung für einzelne Zeitabschnitte ist nicht mehr notwendig. Von diesem Grundsatz der Nicht-Berücksichtigung des Nießbrauchs im Anfangs- und Endvermögen gibt es nur eine Ausnahme, wenn der Wert des Nießbrauchs gestiegen ist. Das ist jedoch so gut wie nie der Fall.
Latente Steuern
Bei bestimmten Vermögenspositionen hat der BGH festgestellt, dass bei diesen die auf den Vermögenswerten lastende, sog. latente Einkommensteuer, als Schuldposition berücksichtigt werden muss, vgl. BGH XII ZR 40/09. Begründet wird dies damit, dass die Bewertung darauf ausgerichtet ist, einen Wert zu ermitteln, der zum Bewertungsstichtag am Markt erzielbar ist. Die latente Steuer würde bei einem hypothetischen Verkauf zum Stichtag bei sog. steuerverhafteten oder steuerverstrickten Gegenständen anfallen und muss daher in die Bewertung mit aufgenommen werden. Unter Vermögenswerte, bei denen im Rahmen der Belastungen latente Steuern berücksichtigt werden müssen, fallen Betriebe und einzelnen Gegenständen des Betriebsvermögens. Bei Gegenständen des Privatvermögens z. B. Grundstücke mit einer Haltezeit bis zu zehn Jahren (§ 23 I Nr. 1 EStG) oder Anteile an Kapitalgesellschaften (§§ 17 und 20 II Nr. 1 EStG).
Belastungen richtig bewerten
Gerade die Berücksichtigung von latenten Steuern bietet in der Praxis großes Streitpotential. Viele trauen sich an diese steuerrechtlichen Fragestellungen nicht heran und scheuen die Beiziehung einer fachlichen Unterstützung durch einen Steuerberater. Gerade für den ausgleichspflichtigen Mandanten macht es jedoch einen erheblichen Unterschied, ob das bestehende Aktivvermögen durch oftmals nicht unerhebliche latente Steuern reduziert wird.
Für alle Fragen rund um den Zugewinnausgleich und die Berücksichtigungsfähigkeit von Belastungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Franziska Weigand, Rechtsanwältin
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