AGB-Recht: aktuelle Urteile - Teil 2: EuGH

Eigentlich sollen AGB-Klauseln rechtliche Vorteile und Sicherheit für den Verwender bringen. Soweit die Theorie. In der Praxis der Rechtsprechung tauchen allerdings immer wieder Hürden auf. Neben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat auch die Auffassung des EuGH immer mehr Auswirkungen. Die Europäische Sichtweise führt auch zu Spannungen im Verhältnis zu den Bestimmungen der § 305 ff BGB.

Fremdwährungsklauseln: NJW 2022, 3489

Dürfen Banken von Fremdwährungskrediten profitieren, wenn die jeweiligen Kundenverträge fehlerhaft waren? In zwei miteinander verbundenen Verfahren hat der EuGH über die missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen entschieden (Rechtssachen C‑80/21 bis C‑82/21 vom 8. September 2022). Die Fälle betrafen polnische Verbraucher, deren Hypothekendarlehen in Schweizer Franken verbucht, jedoch in polnischen Zloty zur Verfügung gestellt wurden.

Im ersten Fall ging es um die Missbräuchlichkeit einer Fremdwährungsklausel. Der EuGH bestätigt dabei seine Linie: Mit der Präventionswirkung der Klausel-Richtlinie ist es vereinbar, dass dispositives Ersatzrecht zur Anwendung berufen werden kann, wenn eine Klausel als missbräuchlich und damit als unverbindlich zu qualifizieren ist.

Nur wenn ausnahmsweise die missbräuchliche Klausel auch die Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach sich zieht und diese Rechtsfolge für den Verbraucher schädigende Wirkungen entfaltet, ist dieses Vorgehen gestattet.

Der EuGH stellte dazu fest, dass es im polnischen dispositiven Recht keine Bestimmung gibt, um die durch die Missbräuchlichkeit der Fremdwährungs- und Umrechnungsklausel entstandene Vertragslücke zu schließen. Damit darf auf allgemeine Vorschriften des dispositiven Rechts zurückgegriffen werden. Gerade weil der Verbraucher über die Gesamtnichtigkeit unterrichtet war und die Auswirkungen hingenommen hat, schließen die Luxemburger Richter eine gerichtliche Auslegung zur Schließung der Vertragslücke aus.

Im zweiten Fall war das Fremdwährungsdarlehen mit ähnlicher Umrechnungsklausel für Zloty/Schweizer Franken zum Erwerb einer Wohnung bestimmt. Die Laufzeit des Darlehens betrug 30 Jahre. Da beide Darlehensnehmer von der Missbräuchlichkeit der Umrechnungsklausel überzeugt waren, klagten sie gegen die Bank auf Rückzahlung des Darlehens. Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit des Vertrags erkannten sie an und akzeptierten sie.

Der EuGH urteilte in diesem Fall, dass der Antrag eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel selbst keiner Verjährungsfrist unterliegt. Er präzisierte, dass die jeweils anwendbare Verjährungsfrist im Ergebnis sowohl dem Grundsatz der Effektivität als auch dem der Äquivalenz entsprechen muss. Hinreichende Effektivität ist nach Auffassung der Luxemburger Richter dann anzunehmen, wenn die Verjährungsfrist so gestaltet ist, dass sie dem Verbraucher die Rechtsverfolgung nicht praktisch unmöglich macht und auch nicht übermäßig erschwert.

Nichtabnahmeentschädigung: BeckRS 2022, 34901

Ein Kunde hatte eine Küche bei einem Möbelhaus gekauft und war dann unberechtigt vom Kauf zurückgetreten. Für diesen Fall sahen die AGB des Unternehmens den Anspruch auf Schadenersatz vor. Dabei hatte sich das Möbelhaus ein Wahlrecht vorbehalten: es konnte entweder pauschal 20 Prozent vom Rechnungsbetrag oder den tatsächlich entstandenen Schaden verlangen.

Bei dieser Regelung sah der österreichische Oberste Gerichtshof eine Benachteiligung des Kunden und verwies den Fall mit der Frage nach dem europäischen Konsumentenschutz an den EuGH.

Nach Auffassung der Luxemburger Richter darf der Anspruch auf Schadenersatz nicht auf das nationale Schadenersatzrecht gestützt werden, wenn eine Schadenersatzklausel in einem Kaufvertrag für nichtig erklärt worden ist. Daher ist der Kunde laut Urteil vom 8. Dezember 2022 trotz seines unberechtigten Rücktritts von jeglicher Schadenersatzpflicht befreit.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende zu setzen. Der EuGH nimmt das nationale Gericht in die Pflicht, die konkreten Umstände des Falls unter Beachtung seiner Vorgaben zu prüfen. Die Richter gelangten zum Ergebnis, dass es dem Unternehmer verwehrt ist, Schadenersatz zu verlangen, wenn der Vertrag ohne die missbräuchliche Klausel aufrechterhalten werden kann.

Fazit

Die neuen EuGH-Urteile haben Einfluss auf die künftige Rechtsprechung des BGH.

Wir beraten Unternehmen bei der Gestaltung von Verträgen und unterstützen sie beim Bewerten von Haftungsrisiken und beim Ausarbeiten der relevanten Klauseln für die AGB.

Michaela Witzel, LL.M. (Fordham University School of Law),
Fachanwältin für IT-Recht
witzel@web-partner.de