Nutzungsbedingungen der Social Media-Plattformen: Welche Gestaltungsspielräume gibt es?
Die Betreiber sozialer Netzwerke verpflichten ihre Nutzer dazu, eine Reihe von Regeln einzuhalten. Dabei geht es etwa um die die Abtretung der Rechte an eingestellten Inhalten, Bestimmungen zu Werbung und Marketing von Unternehmen und schließlich um allgemeine Verhaltensregeln.
Generell dürfen soziale Netzwerke eine Kommunikationskultur vorgeben. Doch welchen Spielraum haben die Betreiber von Facebook, Twitter, Instagram & Co. dabei? Einschränkungen der Meinungsfreiheit müssen sachlich begründet werden. Welche Rahmenbedingungen gelten, welche Gestaltungsmöglichkeiten daraus erwachsen und welche Ansprüche Nutzer haben, beleuchte ich im folgenden Beitrag.
Die Macht sozialer Netzwerke
Soziale Netzwerke schaffen öffentliche Kommunikationsforen im digitalen Raum. Aufgrund ihrer Größe entscheiden sie in erheblichem Maße über die soziale Teilhabe des Nutzers und dessen Teilnahme an der gesellschaftlichen und politischen Kommunikation. Plattformeffekte begünstigen sie dabei - der Nutzer hat kaum Wahlmöglichkeiten oder realistische Handlungsoptionen, ein Netzwerk wegen seiner Nutzungsbedingungen zu verlassen.
Deshalb sind große, bedeutende soziale Netzwerke von der gesteigerten Grundrechtsbindung betroffen. Weil sie den öffentlichen Raum mitgestalten, müssen sie sich besonders an den allgemeinen Wertentscheidungen der Gesellschaft ausrichten und die Grundrechte der Vertragspartner und Allgemeininteressen berücksichtigen.
Der Nutzungsvertrag als Basis
Ein soziales Netzwerk muss grundsätzlich mit jedem einen Nutzungsvertrag schließen, der die allgemein aufgestellten Voraussetzungen des Netzwerks erfüllt. Ebenso kann das Netzwerk das Vertragsverhältnis nur bei Vorliegen eines sachlichen, entsprechend gewichtigen Grundes kündigen.
Unterschiedliche Interessen von Nutzern und Anbietern
Die Nutzer haben einen Anspruch gegen den Anbieter auf die Nutzung des sozialen Netzwerks. Er muss laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Juli 2021 den Nutzern ermöglichen, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen.
Soziale Netzwerke haben ein berechtigtes Interesse daran, nicht für Beiträge der Nutzer straf- und zivilrechtlich in Haftung oder nach dem NetzDG in Anspruch genommen zu werden. Nutzer müssen das berücksichtigen und dürfen entsprechende Beiträge, die dagegen verstoßen, nicht veröffentlichen.
Grenzen der privaten Regulierungsmacht
Die Plattformen haben ein berechtigtes Interesse daran, mit ihren Netzwerken Geld zu verdienen. Dafür müssen sie ihre Vorgaben nach den Regeln des Marktes ausgestalten können. Sie dürfen auch Inhalte verbieten, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, aber den Regeln des Netzwerks widersprechen. Allerdings dürfen die Kommunikationsregeln großer sozialer Netzwerke dabei nicht allein ihrer privaten Regulierungsmacht überlassen werden.
Die Einschränkungen dürfen nicht nach freiem Ermessen oder willkürlich getroffen werden, sondern müssen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden. Dazu müssen die Netzwerke objektiv überprüfbare Verbotstatbestände aufstellen. Ein Verbot der Äußerung von bestimmten politischen Ansichten ist laut BGH nicht mit dem Grundrecht der Nutzer auf freie Meinungsäußerung und dem Gleichbehandlungsgebot zu vereinbaren.
Transparenzgebot
Die Nutzungsbedingungen der Plattformen müssen dem Transparenzgebot des AGB-Rechts genügen. Unklare oder unbestimmte Formulierungen dürfen keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume schaffen. Die wesentlichen Kriterien für die Einschränkungen und Sanktionen müssen genannt werden und mit fortschreitender Praxis weiter konkretisiert werden.
Wichtig ist diese Unterscheidung für die AGB-Prüfung. Als Leistungsnebenabreden unterliegen die Einschränkungen zulässiger Inhalte der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Außerdem dürfen sich Netzwerke mit den Nutzungsbedingungen nicht in Widerspruch zur eigenen Entscheidung setzen, grundsätzlich ein allen offenstehendes soziales Netzwerk bzw. eine Kommunikationsplattform sein zu wollen.
Änderungen des Nutzungsvertrags
Nutzungsbedingungen wie Gemeinschaftsstandards müssen regelmäßig präzisiert und weiterentwickelt werden. Die Netzwerke haben ein legitimes Interesse an einer zeitnahen und einheitlichen Änderung des Nutzungsvertrags. Das kann grundsätzlich über ein Dialogfeld vereinbart werden, über das die Nutzer ein entsprechendes Änderungsangebot annehmen.
Dabei muss ein Netzwerk die berechtigten Interessen der Nutzer berücksichtigen. Es kann die Änderungen nicht einseitig vorgeben, sondern muss sie mit seinen Nutzern in einem Änderungsvertrag vereinbaren. Werden Änderungsklauseln verwendet, müssen sie ein Widerspruchsrecht für den Nutzer vorsehen. Zum Durchsetzen einheitlicher Nutzungsbedingungen, bleibt den Plattformen nur übrig, denjenigen Nutzern zu kündigen, die Änderungen der Nutzungsbedingungen nicht akzeptieren wollen. Zur Durchsetzung von AGB-Änderungen dürfen Netzwerke aber nicht den Nutzern vor Ablauf der Kündigungsfrist den Zugang zur Plattform sperren.
Sanktionsmöglichkeiten
Bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen haben Plattformen die Möglichkeit, Beiträge zu löschen, die Interaktionsmöglichkeiten der Betroffenen einzuschränken oder das Konto ganz sperren.
Nicht nur bei der Kontrolle der Inhalte, sondern auch beim Vereinnahmen konkreter Beiträge unter die Nutzungsbedingungen sind die Meinungsfreiheit sowie der Gleichheitssatz zu berücksichtigen und mit den entgegenstehenden Interessen abzuwägen. Je bedeutender die Einschränkung für den Nutzer und die öffentliche Meinung ist, desto bedeutender muss auch der Grund für die Einschränkung sein.
Umgang mit Beschwerden
Zum Beurteilen, ob ein Beitrag rechtmäßig und zulässig ist, muss der Kontext betrachtet und mit den entgegenstehenden Grundrechten und Interessen abgewogen werden. Große Netzwerke sind daher zur sorgfältigen Aufklärung des betreffenden Sachverhalts verpflichtet. Um zu beurteilen, was als zumutbar betrachtet wird, kann die Größe des Diensts und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.
Die Anhörung der Nutzer gehört zur notwendigen Aufklärung des Sachverhalts. Die Plattform muss den Nutzer über die Sperrung seines Beitrags umgehend informieren und ihm die Möglichkeit geben, dazu Stellung zu nehmen.
Das Netzwerk darf zunächst nur die weitere Veröffentlichung des Beitrags sperren, diesen aber nicht endgültig löschen. Zur weiteren Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens geben auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sowie das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) Auskunft. Das Beschwerdeverfahren muss demnach wirksam, kostenfrei und zügig sein. Es soll eine einfache elektronische Kontaktaufnahme sowie eine unmittelbare Kommunikation mit dem Netzwerk ermöglichen.
Ansprüche der Nutzer
Die Nutzer können gegenüber Plattformen drei Arten von Ansprüchen geltend machen:
Leistungsanspruch: Nutzer haben aus dem Nutzervertrag den Anspruch, dass ihre Inhalte den Nutzern zugänglich gemacht werden. Ein danach vertragsgemäßer Beitrag muss demnach wieder zugänglich gemacht werden. Das ergibt sich ohne weitere Voraussetzungen aus dem primären vertraglichen Leistungsanspruch des Nutzungsvertrags.
Anspruch auf Schadensersatz: Wenn ein bereits zugänglich gemachter Beitrag genau in der Fassung wieder zugänglich gemacht werden soll, dann kann dies der Nutzer nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs beanspruchen. Der Plattformbetreiber schuldet die Wiederherstellung des status quo ante als einfachen Schadensersatz.
Unterlassungsanspruch: Nutzer haben einen Anspruch auf Unterlassung der erneuten Sperrung eines Beitrags. Ausgangspunkt ist die Leistungsnebenpflichtverletzung. Ist bereits eine Pflichtverletzung erfolgt, kann das auf Wiederholungsgefahr deuten.
Fazit
Soziale Netzwerke dürfen Kommunikationsregeln vorgeben und festlegen, wie auf ihrer Plattform Meinungen ausgetauscht werden. Allerdings sind sie dabei in besonderer Weise an die Grundrechte gebunden. Sie dürfen sich dabei nicht an subjektiven Einschätzungen orientieren, sondern müssen objektive Vorgaben machen und die Meinungsfreiheit der Nutzer berücksichtigen. Außerdem müssen sie sicherstellen, dass die Nutzer ihre Rechte ausüben können. Wenn ein Nutzer mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, kann er auf Leistung, Schadensersatz und Unterlassung klagen. Wir beraten Unternehmen bei der Gestaltung von Verträgen und unterstützen sie beim Bewerten von Haftungsrisiken und beim Ausarbeiten der relevanten Klauseln für die AGB
Rechtsanwalt Stefan Haßdenteufel
Experte für Open Source Software
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