IT-Recht aktuell - Teil 5: Urheberrecht

Wann haften Plattformbetreiber für Verletzungen des Urheberrechts? Unter welchen Bedingungen ist das Dekompilieren von Software erlaubt? Und: welche Rechte haben Software-Entwickler an Open Source Software (OSS)? Im fünften Teil unserer Reihe zum IT-Recht werfe ich einen Blick auf aktuelle Urteile, die Auswirkungen auf das Urheberrecht haben.

Wann haften Plattformen für Urheberrechtsverletzungen?

Der EuGH hat im Juni 2021 in zwei Verfahren gegen Youtube und Cyando entschieden, dass die Plattformbetreiber haften, wenn sie Kenntnis vom Veröffentlichen geschützter Inhalte haben und diese nicht unverzüglich sperren. Sie sind auch in der Verantwortung, wenn die Betreiber nicht die erforderlichen technischen Maßnahmen ergreifen, um Urheberrechtsverletzungen wirksam zu bekämpfen. Bei Cyando haben die Richter den Eindruck, dass die Plattform ihre Nutzer sogar dazu verleitet, geschützte Inhalte zu verbreiten. Deshalb mahnt das Gericht eine intensive Prüfung durch den BGH an (Urteile zu den Verfahren C‑682/18 und C‑683/18).

Der Betreiber eines Internet-Radiorecorders haftet hingegen nicht wegen Beihilfe zu einer Urheberrechtsverletzung, wenn die Nutzer Kopien zu privaten Zwecken erstellen. Entscheidend dabei ist, ob das Vervielfältigen durch den Nutzer oder durch den Betreiber ausgelöst wird.

Dekompilieren von Software

Die Computerprogramm-Richtlinie sieht vor, dass Fehler von Computerprogrammen auch ohne Zustimmung des Rechtsinhabers behoben werden dürfen. Doch ist damit auch das Dekompilieren von Software erlaubt? Nach Auffassung des EuGH darf ein Programm jedenfalls dekompiliert werden, um fehlerhafte Funktionen zu deaktivieren. Der Käufer darf das Verfahren jedoch nur für das Berichtigen von Fehlern nutzen und muss ansonsten die mit dem Inhaber der Urheberrechte vertraglich festgelegten Bedingungen einhalten (Rechtssache C‑13/20).

Urheberrecht an Open Source Software?

Wer hat das Urheberrecht an einer Open Source Software (OSS)? Eigentlich darf OSS ja jeder nutzen und weiterentwickeln, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Jedoch ist dies häufig an Bedingungen geknüpft. Bei sogenannten Copyleft-Lizenzen muss sich ein Nutzer beim Weitervertrieb einer entsprechenden Lizenz unterwerfen. Die häufig verwendete GNU General Public License (GPL) erlaubt die Nutzung, die Bearbeitung sowie die Vervielfältigung und Verbreitung der Software an jedermann.

Die Urheberrechtsfrage stellt sich bei einer GPL dann, wenn die Software mehrere Entwicklungsstufen hat. Welche Rechte die Entwickler bei der schöpferischen Weiterentwicklung eines vorhandenen Programms haben, hängt dabei vom Einzelfall ab. Es kann ein einheitliches Werk aus dem Miturheberrecht des ursprünglichen Programmierers gemeinsam mit dem weiterentwickelnden Programmierer entstehen. Oder es kann ein eigenes Urheberrecht des weiterentwickelnden Programmierers neben das Urheberrecht des ursprünglichen Programmierers treten. Dies hat das OLG Karlsruhe in einem Rechtsstreit um eine Open Source Lizenz GPL 2.0 entschieden (OLG Karlsruhe 6 U 60/20).

Wer Schutz beansprucht, muss Beweise liefern

Wer einen urheberrechtlichen Schutz an einem Computerprogramm beansprucht, hat auch die Darlegungs- und Beweislast. Der Anspruchsteller hat im Zweifelsfall zu beweisen, welche schutzfähigen Werke er geschaffen hat, und muss eine Beschreibung seines Programms vorlegen. So hat es das OLG Hamburg entschieden. Damit sollen urheberrechtlich nicht geschützte Ideen von schutzfähigen Software-Entwicklungen abgegrenzt werden (OLG Hamburg 5 U 23/12).

Angesichts dieser Entwicklungen in der Rechtsprechung zum IT-Recht sollten sich Anbieter und Nutzer von Software frühzeitig mit möglichen urheberrechtlichen Auswirkungen auseinandersetzen. Wir unterstützen Sie dabei und beraten bei allen Aspekten rund um das IT-Vertragsrecht. Dabei helfen wir ihnen, die aktuellen Entwicklungen im Blick zu behalten, relevante Themen zu identifizieren und vertraglich zu regeln.

IT-Recht aktuell_Serie:

• Bianchini: Überblick IT-Rechtsentwicklung
• Bianchini: II. IT-Sicherheit
• Witzel: III. IT-Vertragsrecht
• Bianchini: IV. KI & X. E-Justice
Hertneck: V: Urheberrecht
• Hertneck: VI. Geschäftsgeheimnisrecht
• Hertneck: IX. Wettbewerbsrecht

Danielle Hertneck,
Fachanwältin für IT-Recht, Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz
hertneck@web-partner.de