Ein digitales Ökosystem auch für den Rechtsmarkt: CLP in der Gaia-X Cloud

Bisher konnte das Rechtssystem von der Digitalisierung wenig profitieren. Für die meisten Unternehmen sind juristische Fragen mit Unsicherheit, hohem Zeitaufwand und deutlichen Kosten verbunden. Denn es existiert bisher kein digitaler Marktplatz mit einheitlichen und offenen Standards für die Kollaboration von Kanzleien, Legal-Tech-Dienstleistern, öffentlicher Verwaltung und Gerichten. Davon sind gerade Start-Ups und KMU ohne eigene Rechtsabteilung betroffen.

2022 am Start: Die Common Legal Platform CLP

Dies soll sich nun ändern. Speziell für den Rechtsmarkt entsteht nun ein Angebot von Datenräumen auf der Cloud-Infrastruktur der Gaia-X. Diese europäische Initiative entwickelt eine unabhängige und offene Infrastruktur. Andere Wirtschaftsbereiche wie Finanzen, Gesundheit, Mobilität oder Energie haben in Gaia-X bereits digitale Plattformen oder sogenannte Datenräume aufgesetzt.

Nun soll unter der Konsortialführung des Liquid Legal Institute ein Digitales Ökosystem Recht (DIKE) in Form einer Gemeinsamen Rechtsplattform (Common Legal Platform, kurz CLP) entwickelt werden und schon 2022 an den Start gehen.

Ein digitaler Marktplatz für juristische Vermögenswerte

Die CLP soll sich zu einem digitalen Marktplatz entwickeln, an dem juristische Vermögenswerte wie allgemein anerkannte Dokumente, z. B. Vertragsmuster, NDAs, SLAs, Verhaltensregeln usw., aber auch Verfahren, Seminare, Veranstaltungen, innovative Ideen, Talente, Know-how usw. gemeinsam genutzt werden können.

Das Implementierungsprojekt wurde auf GitHub, einem netzbasierten Dienst zur Versionsverwaltung für Software-Entwicklungsprojekte hinterlegt. Dort ist es in vier Schichten angelegt:
• Nutzungsschicht (Utilization Layer)
• Anwendungsschicht (Application Layer)
• Datenschicht (Data Layer) sowie
• Technologieschicht (Technology Layer)

Die Transformation des Rechtsmarkts vorantreiben

Die Nutzungsschicht bildet die oberste Schicht und liefert den abstraktesten, aber auch den wertvollsten Beitrag für die Nutzer. Zu den Nutzern zählen Anwälte, Kanzleien, Unternehmensjuristen, Leiter von Rechtsabteilungen, aber auch ausdrücklich juristische Laien, die in irgendeiner Weise an den Prozessen und Arbeitsabläufen beteiligt sind.

Auf dieser Ebene können bestehende Arbeitsabläufe verbessert (Effizienz), neue Prozesse entwickelt (Effektivität) und sogar neue Geschäftsmodelle (Disruption) eingeführt werden. Die Nutzungsebene wird durch die darunter liegenden Ebenen ergänzt, aus denen Geschäftsmöglichkeiten durch nahtlos integrierte Anwendungen, Daten und Infrastrukturen entstehen, darunter auch die Common Legal Platform.

LegalTech und individuelle Rechtsberatung

Damit soll die digitale Transformation des Rechtsmarkts in Europa vorangetrieben werden. CLP will für einheitliche und offene Standards sorgen und die Zusammenarbeit von Kanzleien, öffentlichen Verwaltungen, Gerichten und LegalTech-Anbietern vereinfachen. Wir begrüßen diese Initiative und sind überzeugt davon, dass LegalTech und individuelle Rechtsberatung sich ergänzen und voneinander profitieren können und gemeinsam für Rechtssuchende einen Mehrwert liefern.

Maren Bianchini-Hartmann, LL.M. (Fordham University School of Law), Rechtsanwältin | attorney-at-law (New York)
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