Umsatzsteuer-Compliance in Unternehmen der öffentlichen Hand
Die öffentliche Hand tickt anders als die sonstige Wirtschaft. Bereits der Aufbau und die Arbeitsweise der Finanz- bzw. Steuerfunktion bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen sind mit denen eines klassischen Unternehmens meist nicht vergleichbar. Dazu kommen – vor allem bei der Umsatzsteuer – zahlreiche steuerliche Besonderheiten, denen sich der typische Industriebetrieb nicht stellen muss, die aber hohe Risiken bei der Bewertung und Behandlung steuerlicher Fragen bergen. Fallstricke gibt es viele: Wo ist die Grenze zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit? Wie sind Zuschüsse, Beiträge und Sponsoring zu behandeln? Welche Tätigkeiten im gemeinnützigen Bereich sind von der Steuer befreit? Wie ist die Vorsteuer aufzuteilen?
Bewertung selbst für Experten schwierig
Die umsatzsteuerliche Würdigung dieser und anderer Sachverhalte gleicht oft einem Spießrutenlauf. Das liegt an der undurchsichtigen Gemengelage aus den (noch) geltenden Verwaltungsvorschriften zu § 2 Abs. 3 UStG a.F., der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des Europäischen Gerichtshofes und der Einführung von § 2b UStG, der eine weitestgehende Loslösung der umsatzsteuerlichen von der ertragsteuerlichen Beurteilung vorsieht. Damit ist die richtige Bewertung einzelner Sachverhalte selbst für Experten mitunter schwierig geworden.
Die Folge: Sachverhalte werden steuerlich fehlerhaft beurteilt, Steueranmeldungen sind falsch oder unvollständig, Steuern werden verkürzt. Der Vorwurf einer Steuerverfehlung – einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder sogar einer Steuerhinterziehung – steht im Raum.
Empfindliche Bußgelder auch für öffentliche Hand
Das Ordnungswidrigkeitengesetz verpflichtet die Unternehmensleitung, (Steuer-) Straftaten und -Ordnungswidrigkeiten durch das Management oder durch die Mitarbeiter mit angemessenen
„Aufsichtsmaßnahmen“ zu verhindern. Wer als Führungskraft diese Pflicht verletzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden kann. Diese Regelung gilt ausdrücklich auch für öffentliche Unternehmen.
Daneben machen sich Führungskräfte unter Umständen gegenüber ihrem Unternehmen schadenersatzpflichtig, wenn sie auf die Einrichtung eines funktionierenden Compliance Systems verzichten.
Künftig wird die Bedeutung von Compliance Management Systemen noch wachsen. Am 18. Juni 2020 hat die Bundesregierung das „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ beschlossen, mit dem in Deutschland erstmals ein echtes Unternehmensstrafrecht eingeführt werden wird (siehe dazu meinen Beitrag „Diskussion um neues Unternehmens-Strafrecht voll entfacht“)
Die Strafen, die Unternehmen daraus drohen, sind drakonisch und können bis zu 10% des Jahresumsatzes betragen. Sie lassen sich allerdings erheblich mildern, wenn Compliance Maßnahmen installiert werden – und das selbst dann, wenn das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen ist, d. h. die Verfehlung begangen und aufgedeckt ist. An Tax CMS führt deshalb heute kein vernünftiger Weg vorbei.
Mit Tax CMS die Qualität steuerlicher Prozesse verbessern
Tax Compliance ist aber alles andere als reine Pflichterfüllung. Bei der Gestaltung und Einführung eines Tax CMS setzt sich auf Seiten der Steuerpflichtigen fast immer die Erkenntnis durch, dass damit sowohl die Qualität der steuerlichen Prozesse als auch das Verständnis für steuerliche Themen in steuerfremden Bereichen insgesamt deutlich verbessert wird.
Insbesondere bei den sehr prozessorientierten Steuern wie Umsatzsteuer und Lohnsteuer kann ein Tax CMS die steuerlichen Prozesse erheblich verbessern, da in diesen Steuerarten steuerrelevante Entscheidungen häufig außerhalb der eigentlichen Steuerfunktion getroffen werden. Ein wirksames Tax CMS kann helfen, die Sensibilität für (umsatz-) steuerliche Sachverhalte in anderen Abteilungen zu schärfen, also etwa in der Buchhaltung, beim Einkauf oder im Vertrieb.
Die persönliche Haftung beschränken
Wie Tax CMS im Detail umzusetzen ist und wie (Umsatz-) Steuercompliance im Alltag gestaltet werden kann, habe ich gemeinsam mit Lukas Hechl, Steuerberater bei Deloitte, in einem Artikel über die „Umsatzsteuer-Compliance in juristischen Personen des öffentlichen Rechts“ beschrieben (Sachsenlandkurier 2/2020). Den vollständige Beitrag finden Sie hier zum Downloaden als PDF:
Angesichts der dynamischen Rechtsprechung zur Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist ein Tax CMS inzwischen in der Verwaltung und den Unternehmen der öffentlichen Hand ein unverzichtbares Mittel, die persönliche Haftung der Verwaltungsführung (Bürgermeister, Beigeordnete, Amtsleiter) aber auch der Geschäftsführer von Unternehmen und des einzelnen Mitarbeiters zu beschränken und die Qualität der steuerlichen Prozesse zu erhöhen.
Wir unterstützen Unternehmen und die öffentliche Hand dabei, ihre Compliance-Situation zu überprüfen und die Qualität der steuerlichen Prozesse aufzubauen und zu verbessern.
Dr. Hilmar Erb, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht
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